Vehicle-to-Grid, Vehicle-to-Home oder gar Vehicle-to-X – diese Begriffe gibt es schon lange. Doch erst jetzt setzen die Automobilhersteller die Technologien dahinter ernsthaft um. Aber was ist das überhaupt? Und welche Potenziale hat die Technologie?
Bidirektionales Laden meint die Möglichkeit, dass die Batterie eines Elektrofahrzeugs nicht nur geladen werden, sondern auch Energie abgeben kann. Das hat viele Vorteile und praktische Anwendungsmöglichkeiten: Nicht nur für die Fahrzeugbesitzerinnen und -besitzer, sondern auch für die Gesellschaft als Ganzes.
Das Vehicle-to-Load (V2L) ist dabei der erste Schritt. Dabei wird das E-Auto genutzt, um Geräte zu laden oder zu betreiben. Aus irgendeinem Grund erwähnen die Autohersteller oft die Möglichkeit, eine Espressomaschine in die Natur mitzunehmen und sie mit der Batterie des Autos zu betreiben. Eine wahrscheinlichere Anwendung wäre wohl das Laden eines Laptops, eines E-Bikes oder vielleicht das Anschließen eines Werkzeugs.
Vehicle-to-Load ist eine Technologie, die bereits mehrere Elektroautos, die aktuell auf dem Markt sind, anbieten. Mehr als praktisch ist sie aber nicht. Richtig interessant – gerade im Hinblick auf die Energiewende – wird es erst mit Vehicle-to-Grid (V2G). Dass mehr Energiespeicher benötigt werden, um ein Stromnetz aus ausschließlich erneuerbarer Energie aufzubauen, darüber sind sich alle einig. Warum also nicht all die Batterien nutzen, die heute schon auf den Straßen herumrollen? Denn meistens rollen sie ja eher nicht so viel: Im Durchschnitt steht ein Pkw in Deutschland 23 Stunden am Tag herum. All diese geparkten E-Autos könnten in das Stromnetz der Zukunft integriert werden.
Damit das funktioniert, sind Standardisierungen unter anderem bei der elektrischen Sicherheit, dem Netzanschluss oder der digitalen Kommunikation erforderlich. Eine wichtige Norm existiert bereits: die ISO 15118-20. Sie steuert die Kommunikation zwischen E-Auto und Ladesäule – und ermöglicht so, dass ein Auto nicht nur Strom entnehmen, sondern auch zurückgeben kann. Denn auch dafür braucht es Regeln: Wenn eine Vielzahl von Elektroautos plötzlich Strom ins Netz speist, kann dies zu einem Überlastungsproblem führen.
Auch das rechtliche Rahmenwerk muss angepasst werden. Denn noch gibt es zahlreiche Hindernisse für Elektroautos, die Strom in das Netz einspeisen wollen. Aus diesem Grund hat die Nationale Leitstelle Ladeinfrastruktur kürzlich dem Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) einen 60-seitigen Fahrplan für die Einführung des bidirektionalen Ladens in Deutschland vorgelegt.
„Bidirektionales Laden wird in Zukunft ein attraktives Zusatzangebot für die Nutzerinnen und Nutzer von Elektroautos sein: Das eigene Auto wird damit zum Stromspeicher – zuerst für den Verbrauch im eigenen Zuhause und in Zukunft auch für die Rückspeisung ins Stromnetz. Das hilft dabei, die Stromkosten zu senken, und macht unser Stromnetz gleichzeitig stabiler“, sagte Daniela Kluckert, Parlamentarische Staatssekretärin und Beauftragte für Ladeinfrastruktur im BMDV, bei der Vorstellung des Fahrplans.
Im ersten Schritt sollen ab kommendem Jahr marktfähige Lösungen für das sogenannte Vehicle-to-Home (V2H) eingeführt werden. Dabei wird die Batterie des Elektroautos genutzt, um das eigene Zuhause mit Strom zu versorgen. So könnte man zum Beispiel bei einem Stromausfall verhindern, dass der gesamte Inhalt des Gefrierschranks schmilzt. Oder das Auto könnte als Energiespeicher für Strom aus den eigenen Solarzellen genutzt werden.
Dafür braucht es unter anderem auch zu Hause Ladestationen, die das bidirektionale Laden ermöglichen. Bislang schicken sie in der Regel nur in eine Richtung Strom: von der Ladestation zum Auto. Einige Unternehmen und auch Autohersteller wie Volkswagen und Renault bieten bereits bidirektionale Ladestationen an.
Bei Vehicle-to-Load handelt es sich nur um ein lokales, geschlossenes Netz zwischen dem Zuhause und der Autobatterie. Das größere Potenzial – allein schon wegen der zunehmenden Zahl von E-Autos – liegt im Vehicle-to-Grid. Durch intelligente Steuerung können die Batterien von Hunderten oder Tausenden von Elektroautos zu „virtuellen Kraftwerken“ verbunden werden, die zur Stabilisierung des Stromnetzes beitragen. Sie könnten zum Beispiel überschüssigen Strom aus Sonnen- und Windkraftanlagen speichern, um ihn dann wieder ins Netz einzuspeisen, wenn der Bedarf am größten ist.