Offenbar haben sie nicht die oft diskutierte große Stahlfusion im Sinn, sondern das Rohstoff- und Recyclinggeschäft, das Salzgitter-Chef Gunnar Groebler unter der Überschrift „Circularity“ zum Leitbild seiner Strategie gemacht hat. Ob sie ans Ziel kommen, hängt auch von der Politik ab: Das Land Niedersachsen ist zweitgrößter Salzgitter-Aktionär – und hält sich bisher bedeckt.
Die Bieter haben allerdings schon mehr als einen Fuß in der Tür: Die GP Günter Papenburg AG, eine hannoversche Bau- und Logistikholding, ist mit 27 Prozent seit Jahren größter Salzgitter-Aktionär. Ihr Aufsichtsratsvorsitzender Heinz Jörg Fuhrmann war bis vor drei Jahren selbst Chef der Salzgitter AG. Dazu geholt hat man sich nun die TSR Recycling mit Sitz in Lünen, die zur Remondis-Gruppe des Milliardärsclans Rethmann gehört.
Die Beteiligten zählen zu den Verschwiegenen in der deutschen Wirtschaft, und so reagierten andere am Dienstag ratlos: „Wir stochern ein bisschen im Nebel“, hieß es mehrfach. Laut einer Pflichtmitteilung bilden Papenburg und TSR ein Konsortium, das ein öffentliches Kaufangebot für die Salzgitter AG „erwägt“. Zeitplan und Preis bleiben ebenso offen wie die strategische Idee dahinter. Mindestens einen Anteil von 45 Prozent plus einer Aktie wollen die Bieter erreichen.
Während TSR keine weiteren Kommentare abgeben wollte, erklärte Papenburg am Nachmittag, dass man überlege, den Salzgitter-Anteil zu erhöhen, um die „Transformation hin zum grünen Stahl abzusichern“. Die Gespräche dazu seien in einem frühen Stadium. Die Landesregierung sei über Eckpunkte informiert, „da das Land Niedersachsen weiterhin als langfristiger Gesellschafter angesehen wird“, wird Konzernchef Günter Papenburg in der Mitteilung zitiert.
Der 85-Jährige ist eine feste Größe in der niedersächsischen Wirtschaft und ein Freund Gerhard Schröders seit dessen Tagen als Ministerpräsident. Er hat 1963 sein erstes Unternehmen gründet und daraus einen Konzern mit Tausenden Beschäftigten in Bauunternehmen, Rohstoffhandel, Entsorgung und Maschinenbau gemacht. Den entscheidenden Schub gaben ihm in den Neunzigerjahren der Mauerfall und die Öffnung Osteuropas. Bis heute ist der Patriarch Vorsitzender des Vorstands, in dem auch seine Kinder sitzen.
Zu der Zeit wiederum spielte Schröder eine Schlüsselrolle bei der Entstehung der heutigen Salzgitter AG. Der damalige Ministerpräsident stieg damals mit dem Land ein, um den Verkauf des Stahlherstellers an den österreichischen Konkurrenten Voestalpine zu verhindern. Heute hält das Land noch 26,5 Prozent an der Salzgitter AG und damit eine Sperrminorität – an der offenbar nicht gerüttelt werden soll.
Die Landesregierung prüfe nun die Pläne des Konsortiums „sowie die damit verbundenen rechtlichen und wirtschaftlichen Folgen sehr gründlich“, teilte das Finanzministerium in Hannover am Dienstag mit. „Eine inhaltliche Positionierung wird erst nach Abschluss der Prüfung möglich sein.“
Ähnlich klingt es bei der Gewerkschaft: „Die IG Metall wird darauf dringen, zeitnah alle Informationen zu erlangen, die für eine sachgerechte Bewertung des Vorgangs unverzichtbar sind“, sagte deren Vorstandsmitglied Hans-Jürgen Urban dem RND. Im Zentrum stünden „die Fortführung der Transformation sowie die Sicherung von Standorten, Mitbestimmung, Beschäftigung und Einkommen“.
Mit ihren Plänen schwimmen Papenburg und TSR jedenfalls gerade gegen den Strom. Die Stahlindustrie steckt wegen schwacher Nachfrage und eines Preisverfalls in der Krise. Gleichzeitig sind in den nächsten Jahren Milliardeninvestitionen nötig, um die Produktion auf ein völlig anderes, CO2-armes Verfahren umzustellen. Diese doppelte Belastung führt die Branche ans Limit: Im Thyssenkrupp-Konzern wird seit Monaten um die Zukunft der Stahlsparte gerungen, ein gutes Ende ist derzeit nicht in Sicht.
Die Salzgitter AG steht zwar deutlich robuster da, erwartet in diesem Jahr aber ebenfalls einen Verlust und plant zusätzliche Einsparungen. Am teuren Umstieg auf neue Technologien ändere das aber nichts, betonte Vorstandschef Gunnar Groebler jüngst im Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland: „An der Transformation führt nach meiner Überzeugung kein Weg vorbei.“