Jugendliche sind hilflos ausgeliefert und Schulen überfordert: Einer aktuellen Erhebung zufolge sind fast ein Fünftel aller Schülerinnen und Schüler in Deutschland von Cybermobbing betroffen. Das entspricht mehr als zwei Millionen Kindern und Jugendlichen. Für die aktuelle „Cyberlife“-Studie des Bündnisses gegen Cybermobbing in Kooperation mit der Barmer Krankenkasse wurden zwischen Mai und Juni dieses Jahres 4213 Schülerinnen und Schüler, 637 Lehrer und 1061 Erziehungsberechtigte repräsentativ nach Bundesländern online befragt.
Demnach ist der Anteil der Schülerinnen und Schüler zwischen sieben und 20 Jahren, die nach eigenen Aussagen schon mindestens einmal Cybermobbing erlebt haben, im Vergleich zur Vorgängerstudie von 2022 um 1,8 Prozentpunkte auf aktuell 18,5 Prozent gestiegen. Über einen längeren Zeitraum betrachtet, sehen die Experten eine klare Verschärfung: Im Jahr 2017 hatten noch 12,7 Prozent der befragten Schülerinnen und Schüler entsprechende Angaben gemacht. Unter Cybermobbing fällt nach Angaben des Bundesjugendministeriums „die Beleidigung, Bedrohung, Bloßstellung oder Belästigung von Personen mithilfe von Kommunikationsmedien“.
Besonders betroffen: Teenager im Alter von 14 bis 17 Jahren. Dabei sei die Schule häufig „das Spielfeld für Täter“, sagt der Vorstandsvorsitzende des Bündnisses gegen Cybermobbing, Uwe Leest. Wirksame Maßnahmen gebe es häufig nicht – obwohl die Täter oft identifizierbar seien.
Auch 63 Prozent der befragten Eltern gaben an, den oder die Täter zu kennen. Fast ebenso viele sagten, dass diese Personen direkt aus der Klasse ihres Kindes stammten. Und dennoch seien Eltern oft „überfordert, die Lehrkräfte zu wenig darauf vorbereitet und die Schulen zu zögerlich in der Reaktion“, heißt es als Fazit dazu in der Studie.
Am häufigsten berichten betroffene Kinder und Jugendliche (78 Prozent), dass sie online beschimpft oder beleidigt wurden. Etwa 53 Prozent wurden demnach Opfer von Lügen oder Gerüchten. In diesem Fall sind Mädchen etwas stärker betroffen als Jungen. Was die Experten besonders alarmiert: 13 Prozent gaben an, aus Verzweiflung schon einmal zu Alkohol, Tabletten oder Drogen gegriffen zu haben. Mehr als jeder vierte Betroffene habe Suizidgedanken geäußert (26 Prozent). Das entspreche in absoluten Zahlen mehr als 500 000 Schülern, erklärte Leest. „Eine sehr erschreckende Zahl, die in den letzten Jahren leider weiter gestiegen ist.“
Was die Studie auch zeigt: Eltern machen sich immer häufiger Sorgen und suchen Rat. 89 Prozent (plus 3 Prozentpunkte im Vergleich zu 2022) gaben an, sich mit Freunden und Bekannten über die Gefahren im Netz auszutauschen, 81 Prozent recherchierten im Internet – fünf Prozentpunkte mehr als 2022. Weniger als die Hälfte (49) fühlt sich gut über strafrechtliche Folgen von Hass, Hetze und Demütigung im Netz informiert.
Auch Lehrkräfte nehmen den Daten zufolge eine verschärfte Lage wahr. 84 Prozent erklärten, in den letzten zwölf Monaten mindestens einmal mit Cybermobbing an ihrer Schule in Berührung gekommen zu sein – das waren 17 Prozentpunkte mehr als noch 2022. 8 Prozent gaben an, sogar selbst schon Opfer von Cybermobbing geworden zu sein.
Die Auswirkungen auf Schülerinnen und Schüler sind nach den Aussagen der Lehrer vielfältig: 81 Prozent nehmen eine bedrückte Stimmung wahr, 58 Prozent beobachteten ein häufiges Fernbleiben vom Unterricht und ebenfalls mehr als die Hälfte (56) registrierte einen Leistungsabfall.