„Ich glaube nicht, dass das empfohlen wird“, sagt ein US Amerikaner in einer Straßenumfrage. Auf dieselbe Frage, die ihm gestellt wurde, antwortet ein anderer Mann: „Ich glaube, man muss ihn vorher rausnehmen.“ Allein die Formulierung „ich glaube“ in ihrer Antwort zeigt, dass sie es nicht wissen. Die Interviewausschnitte stammen von Influencerinnen aus den USA. Sie stellten allen Männern dieselbe Frage: Können Frauen pinkeln, wenn sie einen Tampon in der Vagina haben? Im Vorfeld der US Wahl machten es sich Tiktok-Accounts wie Roe v Bros zur Aufgabe, Männern in den USA diese und weitere Fragen über Frauenkörper zu stellen.
Die Clips verfolgen eine andere Funktion, als lediglich das Wissen von Männern zu testen: Roe v Bros wollte mit ihren millionenfach gesehenen Videos Frauen im Vorfeld der US Wahl dazu ermutigen, wählen zu gehen. Denn gerade in Zeiten, in denen ein Thema wie Abtreibung die Gesellschaft spaltet, betonen die Influencerinnen: Man sollte die Wahl nicht allein Männern überlassen, die über Frauenkörper entscheiden wollen, sich aber damit nicht einmal auskennen. Insofern legen die Interviewausschnitte gleichzeitig den Finger in die Wunde: Viele Jungs und Männer weisen tatsächlich Wissensdefizite über Frauenkörper auf – Lücken, die sie aus mehreren Gründen schließen sollten.
Das beobachtet auch Sexualpädagoge Carsten Müller. „Ein Junge sollte genauso über Menstruation Bescheid wissen wie ein Mädchen über Ejakulation“, sagt er. In seiner Arbeit mit Eltern und Kitas erkennt er gleichzeitig, dass Menschen in der Regel beispielsweise mehr Schwierigkeiten damit haben, über eine Vagina als über einen Penis zu reden. Auch die Tatsache, dass immer noch viele Kinder und Jugendliche in sehr patriarchalen Strukturen großwerden, sei kontraproduktiv, wenn es darum geht, über Frauenkörper aufzuklären. Denn Sexualität werde in diesen Strukturen als vor allem „männlich funktionierende Ebene“ begriffen.
Den eigenen und gegengeschlechtlichen Körper nicht gut genug zu kennen, hat mehrere Nachteile. „Wenn ich meinen eigenen Körper nicht richtig einordnen kann, gehe ich auf Distanz zu meinem Körper“, sagt Müller. Er nennt die Menstruation als Beispiel: Fehlt es Mädchen und Frauen an Information über die Menstruation, empfänden sie sie womöglich als eklig oder beängstigend. Gleichzeitig könnten sie dann zum Beispiel keine bewussten Entscheidungen darüber treffen, welche Art von sexuellen Aktivitäten sie erleben oder nicht erleben möchten. „Auch Jungen und Männer benötigen in Bezug auf sexuelle Aktivitäten Wissen über weibliche Körper, um in Partnerschaften Bedürfnisse und Grenzen zu erkennen“, sagt Müller.
Acht häufige Wissenslücken, die Männer über Frauenkörper haben
1. Wie viele Phasen hat der Menstruationszyklus?
Der Menstruationszyklus durchläuft immer vier Phasen. Im Schnitt dauert die Menstruation etwa fünf Tage. Die erste Phase ist die Menstruationsphase: Dabei wird die oberste Schleimhautschicht der Gebärmutterschleimhaut abgestoßen. In der zweiten Phase baut der Körper mithilfe von Östrogen die oberste Schleimhautschicht der Gebärmutterschleimhaut wieder auf. Gleichzeitig reift in dieser Phase in den Eierstöcken ein Follikel heran, der etwa eine Größe von zwei Zentimetern beträgt. Anschließend, etwa zur Mitte des gesamten Zyklus, kommt es zum Eisprung: Der Körper scheidet die Eizelle aus dem Eierstock aus, die der Follikel freilässt. Der Eileiter nimmt sie auf. Diese Phase wird Ovulationsphase genannt. Innerhalb von etwa 24 Stunden können Spermien die Eizelle noch befruchten, andernfalls stirbt sie ab. Der in der vorherigen Phase gereifte Follikel wird nun in einen Gelbkörper umgewandelt, der das Hormon Progesteron produziert. Damit ist die Lutealphase erreicht. Durch das Progesteron kann der Körper die Gebärmutter-Schleimhaut umbauen, damit sich eine befruchtete Eizelle hier einnisten kann. In dieser Phase weiten sich in den Brüsten die Milchdrüsen, weshalb bei manchen Frauen die Brüste anschwellen und berührungsempfindlich werden. Zudem treten nicht selten vor der Menstruation Blähungen und Krämpfe auf. Wenn keine Schwangerschaft eintritt, fällt der Progesteronspiegel wieder ab.2. Was ist PMS?
PMS steht für Prämenstruelles Syndrom. Gemeint sind damit die körperlichen und psychischen Beschwerden, die einige Frauen in den Tagen vor der Menstruation haben. Beschwerden können etwa Brustspannen, Kopfschmerzen, Abgeschlagenheit, Verdauungsprobleme, Stimmungsschwankungen und Schlafstörungen sein.
3. Können Frauen mit Tampon pinkeln?
Der Tampon liegt in der Vaginalöffnung – denn so kann er das Menstruationsblut aufsaugen. Urin fließt dagegen durch die Hahnröhrenöffnung, die oberhalb der Vaginalöffnung liegt. Somit antwortet die Antwort auf diese Frage: Ja, Frauen können mit Tampon problemlos pinkeln.
4. Warum gibt es verschiedene Tampongrößen?
Anders als manche Menschen glauben, hat die geeignete Tampon-Größe nichts mit der Größe der Vagina zu tun. Die geeignete Größe hängt von der Stärke der Regelblutung ab.
5. Wie viele Tage im Monat kann eine Frau schwanger werden?
Frauen sind in der Regel vier bis fünf Tage vor dem Eisprung fruchtbar – und etwa zwei Tage danach. Somit können sie zwischen fünf bis sieben Tage pro Monat schwanger werden.
6. Wann können Frauen nach der Geburt wieder Sex haben?
Fachleute empfehlen, erst dann wieder vaginalen Sex zu haben, wenn der Wochenfluss – Blutungen nach der Geburt, bei denen Wundsekret aus der Gebärmutter ausgeschieden wird – wieder aufgehört hat. In der Regel dauert der Wochenfluss zwischen vier bis sechs Wochen. Danach ist Sex wieder möglich.
7. Wozu ist die Klitoris da – und wo liegt sie?
Die Klitoris ist ein Organ und dient allem voran der sexuellen Lust. Bei sexueller Erregung schwillt sie an, wodurch sie sich vergrößert. Berührungen der Klitoris können dabei das Lustempfinden steigern und zum Orgasmus führen. Die Klitoris hat – ebenso wie der Penis – Schwellkörper und erigiert bei sexueller Erregung. Selbst am vaginalen Orgasmus ist die Klitoris beteiligt. Für Männer ist es also nicht zuletzt beim Sex mit Frauen wichtig, die Klitoris zu kennen. Schon das Wissen über die Klitoris kann die Orgasmuswahrscheinlichkeit von Frauen erhöhen.
Wissen über Frauenkörper hat auch eine politische Bedeutung
Die Informationen in diesem Artikel sollten Kindern und Jugendlichen im besten Fall spätestens in der Schule vermittelt werden. In der Realität verlassen viele Menschen aber die Schule mit großen Wissenslücken in der sexuellen Bildung. „Ich habe das Gefühl, dass es mehr braucht als das, was bei der sexuellen Bildung aktuell in Kitas und Schulen gemacht wird. Es kommt auch darauf an, wie das Wissen vermittelt wird: Oft geben Erwachsene, auch Eltern, ihre Scham beim Thema Sexualität an Kinder weiter“, sagt Sexualpädagoge Müller.
Das mangelnde Wissen hat auch eine politische Bedeutung, wie der Tiktok-Channel Roe v Bros betont. Noch heute wird Frauen in vielen Fällen das Recht auf körperliche Selbstbestimmung verwehrt. In den USA wurde vor zwei Jahren die 50 Jahre alte Grundsatzentscheidung des Obersten Gerichtshofs gekippt, die Frauen das Recht gab, über Abbruch oder Fortführung einer Schwangerschaft zu entscheiden. Entscheidungen wie diese werden oft von Männern getroffen, die an patriarchalen Strukturen festhalten – und sich nicht einmal mit Frauenkörpern auskennen.