5.400 Warnstreikende meldet die IG Metall für das Werk in Salzgitter. Im Wolfsburger Stammwerk sollen es demnach sogar 47.000 VW-Beschäftigte gewesen sein, die sich zur Kundgebung trafen, bei der auch Daniela Cavallo, Vorsitzende des VW-Konzernbetriebsrates, sowie IG Metall-Verhandlungsführer Thorsten Gröger sprachen. Letzterer erlebte einen „ersten, wuchtigen Aufschlag eines Protestwinters“, nennt die ersten Warnstreiks ein „absolut entschlossenes Signal der Belegschaft gegen die rabiaten Vorstandsvorhaben Volkswagens“.
Die IG Metall meldet ingesamt fast 100.000 Beschäftigte, die lautstark zu verstehen gegeben hätten, dass sie für ihre Arbeitsplätze, ihre Familien und ihre Zukunft kämpfen wollen. Thorsten Gröger: „Volkswagen sollte zur Besinnung kommen und endlich ihre Albtraumpläne ad acta legen, anderenfalls werden die Kolleginnen und Kollegen die richtige Antwort finden.“ Mit Blick auf den 9. Dezember, an dem die vierte Tarifverhandlung folgt, sagt er: „Volkswagen sollte diese Warnzeichen sehen. Zehntausende Beschäftigte gegen sich aufzubringen, führt nicht dazu, dass man die Zukunft positiv gestaltet. Werksschließungen, Massenentlassungen und die Giftliste müssen vom Tisch.“
Auch in Salzgitter fanden die Beschäftigten klare Worte. „Wir zeigen mit vielen Füßen hier auf dem Boden, dass so nicht mit uns umzugehen ist“, so Vertrauenskörper Niels Redder. Er fordert wie die IG Metall sieben Prozent mehr Lohn und 170 Euro für die Auszubildenden. Aber auch die umstrittenen Pläne des Vorstandes hat er im Blick. Der Konzern müsse die Kündigung der Beschäftigungs- und und Standortgarantien zurücknehmen. „Wir werden bis zum Äußersten gehen.“
Arbeiter Sven Sommer, der seit 22 Jahren bei VW ist, gehört zu den vielen tausend Leuten, die es wichtig finden, auf die Straße zu gehen. „Das ist als Gewerkschafter selbstvertändlich. Was der Vorstand mit uns abziehen will, geht einfach nicht.“ Das Verhalten der Spitze ist für ihn „unterste Schublade“. Die Beschäftigten sollen die Zeche für das zahlen, was der Vorstand versaubeutelt habe. Dieser gehört für ihn derzeit jedenfalls nicht zur oft beschworenen VW-Familie. Sven Sommer ist unsicher. Er hat nicht nur Angst um seinen Job, sondern sieht auch die ganze Region. „Egal welchen Standort man anguckt, an Volkswagen hängt wahnsinnig viel dran.“
Für Cem Inze, der bei VW gelernt hat und „Gewerkschafter seit Tag eins“ ist, hat das Management „auf ganzer Linie versagt“. Deshalb müsse die Gewerkschaft reagieren. „Solidarisch, an allen Standorten und mit den umliegenden Betrieben. Das war erst der Anfang.“ Auch an gut ausgebildeten Entwicklern wie Jannik Unger geht die Debatte nicht vorbei, der seit 2022 im Batteriewerk arbeitet. „Es macht den Anschein, als stünden wir außen vor, aber auch bei uns ist die Unsicherheit zu spüren.“ Die E-Mobilität bei Volkswagen ist in seinen Augen nicht so stabil wie gedacht. Deshalb bangt auch er um seine Zukunft.
Björn Harmening, Betriebsratsvorsitzender im Werk Salzgitter, hofft auf die nächste Verhandlungsrunde am 9. Dezember. Dort könnte der Konzern von seinen Forderungen abrücken und ein vernünftiges Angebot vorlegen. Geschieht das nicht, dürfte die Eskalation weitergehen. „Das liegt in der Hand des Unternehmens“, betont Björn Harmening. Es herrsche keine Not für die angedrohten Entlassungen. „Wir haben dem Unternehmen ein Angebot unterbreitet, dass die Auslastung aller Standorte beinhaltet.“ Dieses wurde nach seinen Worten abgelehnt „ohne verünftige Begründung“. Björn Harmening: „Die ziehen einfach ihren Plan durch.“
Ähnlich klang das bei Daniela Cavallo, die in Wolfsburg erklärte: „Verantwortung für einen Verhandlungskompromiss gelingt immer nur, wenn sich beide Seiten aufeinander zu bewegen. Die Arbeitnehmerseite hat ihren ersten Schritt schon gemacht. Jetzt ist es am Vorstand, sich endlich zu bewegen.“ Dieser Erwartungshaltung hätten zehntausende Kolleginnen und Kollegen bei den Warnstreiks Nachdruck verliehen. „Jetzt blicken wir alle auf den 9. Dezember.“ Daniela Cavallo ist sich ziemlich sicher: „Diese Verhandlungsrunde dürfte eine Weichenstellung bringen: Annäherung oder Eskalation?“
Die VW-Beschäftigten waren im Ausstand für ihre warnstreikfähige Forderung nach sieben Prozent mehr Entgelt und 170 Euro für die Auszubildenden. Zugleich hat die IG Metall nach eigenen Worten „skizziert, wie eine Erhöhung in einen solidarischen Fonds erfolgen könnte und so zu einer Entlastung auf Arbeitskostenseite führen könnte – diesen Vorschlag wies Volkswagen laut Gewerkschaftsmitteilung ohne eigene Vorstellung zurück.