Die ersten Frühlingsblüher wie Hasel und Erle sind wieder aktiv dabei, ihre Pollen zu verteilen. Allergikerinnen und Allergikern droht damit eine weitere Heuschnupfensaison. Doch Pollen sind weitaus mehr als Allergieauslöser. Sie sind kleine Wunder der Natur, die sogar bei der Verbrecherjagd helfen können.
Mit Pollen assoziieren die meisten Menschen winzige, gelbe Staubkörner. Doch so vielfältig die Pflanzen sind, so vielfältig ist auch ihr Pollen. Grundsätzlich enthält der Pollen, auch Blütenstaub genannt, das männliche Erbgut einer Pflanze. Er besteht aus einer festen äußeren Hülle, die dem Pollenkorn seine Form gibt und es vor äußeren Einflüssen wie Trockenheit schützt. Die Mehrzahl der Pollen hat einen Durchmesser von 20 bis 50 Mikrometern, erklärt der Deutsche Wetterdienst (DWD) in seinem Wetter- und Klimalexikon. Es gibt jedoch auch bei der Größe Unterschiede: Während die Pollenkörner des Kürbisses mehr als 200 Mikrometer groß sind, sind es beim Vergissmeinnicht gerade einmal fünf Mikrometer.
Die bekanntesten Transporteure von Pollen sind Bienen. Der Blütenstaub ist für die Tiere einerseits eine wichtige Nahrungsquelle. Schließlich besteht der Pollen zu 30 Prozent aus Zucker, zu 30 Prozent aus Proteinen und Aminosäuren sowie zu 10 Prozent aus Fetten und Ölen. Hinzukommen Bestandteile wie Enzyme, Vitamine, Mineralstoffe, Wasser und Spurenelementen. Bienen tragen den Blütenstaub ungewollt an ihrem Körper mit sich, wenn sie von Pflanze zu Pflanze fliegen. So werden die Pflanzen bestäubt. Auch andere Insekten wie Hummeln, Schmetterlinge, Käfer und Wespen sind wichtige Pollentransporteure und Bestäuber, genauso wie Vögel.
Andere Pflanzen verteilen ihren Pollen mithilfe des Windes – die sogenannten Windblütler. Bäume wie die Erle, Hasel oder Birke gehören zum Beispiel dazu. Nadelbäume haben für diese Art des Pollentransports ein besonderes Flugequipment: Ihr Pollen besitzt zwei Luftkammern, die dafür sorgen, dass die Pollenkörner langsamer sinken und weiter fliegen. Sind die Windverhältnisse gut, können Pollenkörner mehrere Hundert Kilometer weit fliegen.
Der Klimawandel sorgt dafür, dass sich die Pollenzeiten verschieben: Nach Angaben der Europäischem Stiftung für Allergieforschung beginnen Bäume, früher im Jahr zu blühen, während der Pollen von Gräsern und Kräutern länger im Herbst noch fliegt. Die Flugzeiten überlagern sich, sodass Allergikerinnen und Allergiker länger mit Beschwerden zu tun haben.
Der Klimastress lässt die Pflanzen zudem mehr Pollen produzieren. Normalerweise stellen Bäume ihren Pollen in schwankenden Mengen her – also in einem Jahr mehr Pollen, im Jahr darauf weniger. Doch seit einigen Jahren beobachtet der Deutsche Polleninformationsdienst, dass die Pollenproduktion bei manchen Bäumen und Pflanzenarten gleichbleibend hoch ist, wie er gegenüber der „Tagesschau“ erklärte. „Die Pflanzen versuchen, ihre Art zu erhalten und bilden deshalb mehr Pollen.“
Auch die Aggressivität der Pollenkörner könnte zunehmen. Das heißt, sie könnten stärker allergieauslösend wirken. Darauf deutete 2023 etwa eine Studie aus Polen hin: Sie kam zu dem Ergebnis, dass die Luftverschmutzung aufgrund des Verkehrs und der Verstädterung Birkenpollen chemisch so verändert, dass er allergieauslösender wird.
Eine Allergie gegen Pollen kennen viele Menschen unter dem Begriff Heuschnupfen. Es ist eine der häufigsten Allergien in Deutschland: Sie betrifft etwa 15 Prozent der Erwachsenen in Deutschland – das sind rund zwölf Millionen Menschen. Die meisten Pollenallergien werden durch frühblühende Bäume wie Hasel, Erle, Birke, aber auch Gräser verursacht. Dass Pollen Allergien auslöst, liegt an Proteinen, also Eiweißen, die er enthält. Diese sind wasserlöslich. Treffen sie auf die feuchte Nasenschleimhaut, dringen sie innerhalb weniger Sekunden in diese ein. Im Fall einer Allergie kommt es zu einer Überreaktion des Immunsystems, die zu Schnupfen, Niesen, manchmal auch einer verstopften Nase sowie tränenden, juckenden oder entzündeten Augen führt.
Pollenkörner sind sehr widerstandsfähig und stabil. Das können sich Menschen in zwei Bereichen zunutze machen: bei der Kriminalpolizei und in der Archäologie. Martina Weber ist forensische Palynologin. Sie hilft der Polizei dabei, Kriminalfälle zu lösen – und zwar mithilfe von Pollen. Die hohe Widerstandsfähigkeit des Pollen sorgt dafür, dass er sich selbst nach mehreren Wochen noch in der Kleidung nachweisen lässt. „Mit dem Pollenspektrum können wir dann zum Beispiel überprüfen, ob der Verdächtige vor Kurzem durch eine Blumenwiese oder eher durch einen Wald gelaufen ist. So lassen sich Alibis bestätigen oder widerlegen.“ Auch in der Archäologie kann Pollen helfen: Weil er so widerstandsfähig ist, ist er noch in metertiefen Bodenschichten aus der Urzeit zu finden. So können Forscherinnen und Forscher Rückschlüsse auf die damalige Pflanzenwelt ziehen und ausgestorbene Vegetation untersuchen.
Die meisten Pflanzen nutzen Pollen, um sich zu vermehren. Doch es gibt auch Pflanzen, die andere Wege gefunden haben: der Farn zum Beispiel. Farne pflanzen sich asexuell durch Sporen fort.
In Gärtnereien und Baumärkten finden sich zudem oft Pflanzen, die als „steril“ oder „pollenfrei“ beworben werden. Tatsächlich ist es möglich, durch gezielte Kreuzungen oder genetische Modifikationen Pflanzen zu züchten, die keinen oder nur wenig Pollen ausbilden. Umweltverbände sprechen sich jedoch klar gegen diese „sterilen“ Pflanzen aus, da sie das ohnehin schon knappe Nahrungsangebot für Insekten wie Bienen weiter verschärfen.
Pollen ist einer der wichtigsten Stoffe, die es auf der Erde gibt. Ohne ihn könnte sich eine Vielzahl von Pflanzen nicht vermehren, die Vielfalt der Pflanzenarten würde verloren gehen. Damit würde die Biodiversität zurückgehen, was Ökosysteme gefährden würde. Denn Pollen sorgt auch für ein Gleichgewicht in der Natur: Indem er zur Vermehrung von Pflanzen beiträgt, schafft er natürliche Kohlenstoffdioxidspeicher, die wiederum Sauerstoff produzieren, was für das Überleben vieler Lebewesen auf der Erde unerlässlich ist.
Gleichzeitig würden Insekten wie Bienen oder auch andere Tiere wie Vögel ohne Pollen keine Nahrung mehr finden. Das würde die Artenvielfalt gefährden. Und auch die menschliche Ernährung würde leiden: Denn Obst- und Gemüsesorten würden wichtige Bestäuber fehlen, sie würden nicht ausreifen oder müssten künstlich bestäubt werden. Pollen ist insgesamt also ein unverzichtbarer Bestandteil des Lebenszyklus vieler Pflanzen. Er trägt wesentlich zur Gesundheit und Stabilität der Ökosysteme auf der Erde bei.