Fördermillionen geben den Ausschlag
VW-Tochter MAN plant offenbar Batteriefabrik in Osteuropa – und nicht in Salzgitter

Unruhe bei MAN in Salzgitter: IG Metall und Betriebsrat befürchten massive Jobverluste, das Unternehmen kündigt Entscheidungen an, um wettbewerbsfähig zu bleiben.Foto: Rudolf Karliczek
Wolfsburg. Es sind keine guten Nachrichten für den Industrie-Standort Salzgitter. Nutzfahrzeughersteller MAN hat sich offenbar dagegen entschieden, in der 105.000-Einwohner-Stadt eine Batteriefabrik zu errichten. Dem Vernehmen nach soll die Fabrik stattdessen in Osteuropa gebaut werden, konkret in Polen oder in der Slowakei.

MAN will das in dieser Deutlichkeit nicht bestätigen, zumindest noch nicht. „Das Unternehmen prüft derzeit den Standort für eine dritte Fabrik für Batteriepacks innerhalb der Traton Group“, sagt ein Sprecher. „Dazu gehören neben einem Standort in Deutschland auch weitere in Polen und der Slowakei. Zu weiteren Details können wir uns aktuell nicht äußern.“

Nach Informationen der AZ/WAZ-Redaktion soll der maßgebliche Grund für die bevorstehende Entscheidung in erster Linie mit Fördergeldern zu tun haben. Die Europäische Union will die Ansiedlung von Industriefabriken in Osteuropa gezielt unterstützen. Zudem sollen staatliche Mittel fließen. Aus Industriekreisen verlautet, dass es bei einer Ansiedlung in Salzgitter Fördermittel über 20 Millionen Euro geben würde, in Osteuropa aber 170 Millionen. Bei einer Differenz von 150 Millionen Euro dürfte klar sein, in welche Richtung das Ganze geht. Dazu kommt, dass Lohn- und Lohnnebenkosten in Osteuropa niedriger sind. Aus Gründen der Industrieromantik dürfte sich MAN jedenfalls kaum für den Standort südwestlich von Braunschweig entscheiden.

MAN gehört zur VW-Nutzfahrzeugtochter Traton Group. Für die Gruppe soll eine dritte Fabrik entstehen, nachdem Scania 2023 eine Produktionsstätte in Schweden und MAN im Frühjahr dieses Jahres in Nürnberg ein Werk errichtet hatte. Bei der geplanten dritten Fabrik geht es wie in Nürnberg nicht um die eigentliche Zellfertigung, sondern um die Herstellung von Batteriepacks für Busse und Trucks von MAN. Bei Batteriepacks handelt es sich um ein komplexes System, das aus mehreren Batteriezellen besteht, die in Modulen zusammengefasst und in einem gemeinsamen Gehäuse untergebracht sind, um die nötige Energie für den Antrieb der Trucks und Busse zur Verfügung zu stellen.

Bei der IG Metall will man die Hoffnung noch nicht aufgeben. „Uns liegen derzeit keine bestätigten Informationen über eine Standortentscheidung von MAN vor“, sagt Gewerkschaftssprecher Jan Mentrup. „Unsere Erwartung ist klar: MAN muss die industrielle Transformation aktiv in Deutschland gestalten – gemeinsam mit den Beschäftigten, die diesen Wandel seit Jahren engagiert tragen.“ Salzgitter biete eine „exzellente logistische Anbindung und hoch qualifizierte Beschäftigte“.

Die IG Metall sieht jetzt die Politik gefordert. Wenn Deutschland ein führender Industriestandort bleiben solle, brauche es mehr als Ankündigungen – entschlossenes Handeln sei gefragt. „Wettbewerbsfähige Energiepreise, planungssichere und unbürokratische Förderinstrumente sowie eine industriepolitische Strategie, die Wertschöpfung und gute Arbeit hier im Land hält, sind überfällig. Konkret braucht es allerspätestens zum Jahreswechsel einen Industriestrompreis von fünf Cent pro Kilowattstunde“, fordert Mentrup.

Zuletzt hatte die Gewerkschaft davor gewarnt, dass bei MAN in Salzgitter ein drastischer Stellenabbau drohe. Die IG Metall fürchtet, dass fast die Hälfte der Jobs verloren gehen könnte. Hintergrund ist, dass der Nutzfahrzeughersteller einen bis Ende 2026 gültigen Zukunftstarifvertrag nicht verlängern wollte. Laut Gewerkschaft sollen produktionsnahe Bereiche aus Salzgitter vollständig abgezogen und an andere Standorte verlagert werden. Das Unternehmen betonte dagegen, wettbewerbsfähig und ein verlässlicher Arbeitgeber bleiben zu wollen, „der allen derzeit am Standort Salzgitter beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern langfristig einen sicheren und attraktiven Arbeitsplatz bieten kann“. In Salzgitter arbeiten im Moment rund 2.300 Menschen für den Münchner Fahrzeugkonzern.

Besser sind die Nachrichten, die von VW selbst für Salzgitter kommen. Volkswagen-Tochter PowerCo beginnt noch in diesem Jahr mit der Batteriezellenproduktion für Elektroautos in der Stadt. Bis die Batterien made in Salzgitter serienmäßig in den ersten Stromern des Volkswagen-Konzerns eingebaut werden, dauert es aber noch bis 2026. Dann soll offiziell die Serienproduktion beginnen, knapp vier Jahre nach der Grundsteinlegung der Fabrik. Das Werk ist ein zentraler Bestandteil in der Batteriestrategie des Wolfsburger Autobauers.

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