Immer mehr Menschen greifen zu Melatonin-Produkten, um besser zu schlafen. Doch aktuelle Untersuchungen zeigen: Der Hype um das Schlafhormon könnte riskanter sein, als viele glauben.
Schlafmittel mit Melatonin boomen seit Jahren. Es gilt als sanfte Einschlafhilfe – erhältlich als Spray, Gummibärchen oder Kapsel in Drogerien und Online-Shops. Doch eine neue US-Studiezu lang und aktuelle Produktanalysen aus Deutschland werfen neue Fragen zur Sicherheit auf. Besonders bei längerer Einnahme scheint das Hormon nicht so harmlos zu sein, wie es beworben wird.
Laut einer aktuellen Untersuchung, die auf der Jahrestagung der American Heart Association (AHA) vorgestellt wurde, könnte eine langfristige Einnahme von Melatonin-Präparaten das Risiko für Herzschwäche erhöhen. Die Forschenden werteten dazu Gesundheitsdaten von mehr als 130.000 Erwachsenen über einen Zeitraum von fünf Jahren aus.
Demnach trat Herzinsuffizienz bei 4,6 Prozent der Personen auf, die länger als ein Jahr regelmäßig Melatonin einnahmen – im Vergleich zu 2,7 Prozent in der Kontrollgruppe ohne Melatonin. Das entspricht einem etwa 1,9-fach höheren Risiko für Herzschwäche. Ein direkter ursächlicher Zusammenhang ist bislang jedoch nicht nachgewiesen, betonen die Studienautorinnen und -autoren. Fachleute sehen die Ergebnisse dennoch als Warnsignal für einen unkritischen Umgang mit frei verkäuflichen Melatoninprodukten.
Auch das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) mahnt zur Vorsicht – selbst bei niedrigen Dosierungen unter einem Milligramm. Risiken bestünden insbesondere für Kinder, Schwangere, Diabetikerinnen und Diabetiker sowie Menschen mit Autoimmunerkrankungen.
Wichtig: Die AHA-Analyse ist retrospektiv und basiert auf Krankenakten, nicht auf direkten Patientengesprächen. Die Daten wurden also rückblickend betrachtet. Ein kausaler Zusammenhang zwischen Melatonin und Herzproblemen ist damit nicht nachgewiesen. Fachleute betonen, dass Risiken möglicherweise durch bestehende Vorerkrankungen oder starke Schlafprobleme der Melatonin-Nutzer erklärt werden könnten.Wie verlässlich die frei verkäuflichen Produkte überhaupt sind, zeigt der aktuelle „Öko-Test“ (Ausgabe 10/2026). Von 19 getesteten Melatonin-Sprays erhielten 16 die Note „mangelhaft“ oder „ungenügend“. Die Kritikpunkte zur Wirkung:
abweichende Wirkstoffgehalte
fehlende Warnhinweise
unzulässige Werbeversprechen
Auch die Kennzeichnung ist oft irreführend. Manche Produkte überschreiten laut Prüfern sogar die Grenze, ab der Melatonin als Arzneimittel gelten müsste – und wären dann nicht mehr frei verkäuflich.
Besonders beliebt sind derzeit Melatonin-Gummis – häufig bunt, süß und mit Fruchtgeschmack. In den USA hat die Zahl der gemeldeten Vergiftungsfälle bei Kindern laut Gesundheitsbehörde CDC in den letzten Jahren stark zugenommen. Auch in Deutschland warnen Kinderärzte davor, dass Eltern die Produkte unterschätzen könnten: Selbst eine kleine Überdosierung kann zu Benommenheit, Kopfschmerzen oder Kreislaufproblemen führen.
Schon frühere Untersuchungen, etwa der Stiftung Warentest, kamen zu dem Ergebnis, dass Melatonin den Schlaf nur minimal verbessert – die Einschlafzeit verkürzt sich im Schnitt um wenige Minuten. Mediziner empfehlen daher, vor dem Griff zu Tabletten oder Sprays zunächst die Schlafhygiene zu verbessern. Das bedeutet: feste und regelmäßige Schlafzeiten, kein Bildschirmlicht vor dem unmittelbaren Zubettgehen und ausreichend Bewegung am Tag.