Fast 20 Frauen und Männer saßen in der Klasse. Viele verschiedene Herkunftsländer, viele verschiedene Lebensschicksale – aber alle einte eine Erfahrung beim Erzählen ihrer Geschichte: Trotz festem Willen hier beruflich Fuß zu fassen mahlen die Mühlen deutscher Bürokratie langsam. Zu langsam, wie Heil sehr entschieden kommentierte. Metzger etwa, das weiß Heil zu gut aus der Region, für die er im Bundestag sitzt, werden eigentlich händeringend gesucht. Und dann sitzt da im Gifhorner Berufssprachkursus ein Syrer (38), der ihm schildert, wie er seit einigen Jahren vergeblich darum kämpft, seine Ausbildung in der Heimat anerkannt zu bekommen. „Verrückt“, rutscht Heil als Kommentar heraus.
Aus der Abteilung „Verrückt“ gibt es an diesem Morgen noch einiges mehr zu hören. So ziemlich alle in der Klasse warten seit langer Zeit auf die Anerkennung ihrer Diplome und Abschlüsse. Pfleger, Krankenschwester, Lehrer – gefragte Berufe, aber niemand hat einen glatten Durchmarsch erlebt. Kursleiter Reinhold Neubauer ist ein gestandener Lehrer, aber wirkt schon recht genervt, wenn er Heil aus dem Alltag erzählt. Da haben seine Schützlinge eine feste Stelle in Aussicht, warten auf die Genehmigung, und wenn die da ist, ist der Job vergeben. Keine Einzelfälle, sagt er, und klingt ein bisschen verzweifelt. „Was soll man denn jetzt den Teilnehmern raten?“ Und auch das erlebt er: Geht er mit zu den Ämtern, laufe manches flüssiger. Auf sich selbst gestellt, bleibe so mancher auf der Strecke. Der Umgang einiger Mitarbeiter in Jobcenter und Co. mit Ratsuchenden gefällt Neubauer nicht. „Ein prekäres Thema“, sagt er. Pauschal mag Heil das nicht stehen lassen. Die Mitarbeiter arbeiteten durch Corona, Neuregelungen beim Bürgergeld und den plötzlichen Mehrbedarf durch ukrainische Flüchtlinge am Limit.
Aber die Gifhorner Runde lässt nicht locker, was die Kritik an Behörden angeht. Denn da ist noch der Wegfall einer Stelle, die als Art Wegweiser gute Hilfe für Geflüchtete auf dem Weg zur Arbeitsstelle in Gifhorn ansässig war. Heil hakt nach. „Ach ja, die ESF-Gelder.“ ESF steht für europäischer Sozialfonds. Ein Indiz mehr für Heil, dass der Dschungel an Zuständigkeiten nach seinem Geschmack viel zu sehr zugewachsen ist. „Wir müssen mehr über Systemfehler reden.“ Er werde aus Gifhorn mitnehmen, die Lage bei Lotsen-Stellen zu verbessern.
Aber er möchte keine Zusagen geben, die nicht realistisch sind. „Ich kann nicht versprechen, alles an einem Tag zu ändern.“ Ein neues Einwanderungsgesetz werde erarbeitet. Das nütze den Kursteilnehmern zwar nichts mehr, aber die Bundespolitik arbeite daran, ist Heils Botschaft. „Sie bringen eine tolle Ausbildung mit. Wir dürfen in Deutschland nicht so hochnäsig sein“, betonte Heil. Bei der Anerkennung von Ausbildungen gehe es sehr bürokratisch zu in Deutschland. „Da müssen wir wirklich besser werden.“Besser werden sollte auch der Weg, die Prüfung des Berufssprachkurses B 2 zu schaffen. Und so schickte Kursleiter Neubauer den Arbeitsminister mit in die praktische Prüfungssituation. Und er geriet etwas ins Schwitzen, als er nach einmaligem Vorspielen eines Telefonanrufs eines Partyservices die entscheidenden Infos notieren sollte. Heil tippte falsch, dass es sich um ein Angebot handele. Der Kursus korrigierte ihn etwas amüsiert. „Sie haben drei Punkte verloren“, rief einer.
Neubauer setzte noch einen drauf: Eine weitere Aufgabe erfordert ein intensives Studium der Aufgaben. „18 Fragen in 45 Minuten“, kritisiert Neubauer. Das sei schon für einen Muttersprachler eine sportliche Aufgabe. Die recht hohe Durchfallquote bei den Sprachkursen sei absolut nachvollziehbar, erklärte Neubauer. Und so manche Prüfungsaufgabe sei für den Berufsalltag absolut irrelevant, zeigte er Heil auf. Der staunte, wie schwierig die Aufgaben sind. Jedem Unternehmen könne man nur sagen, wie qualifiziert und fleißig jene sind, die ein Zertifikat schaffen. Neubauer ergänzte: „Firmen befürchten Mehrarbeit, wenn sie einen Geflüchteten einstellen. Aber das Gegenteil ist der Fall. Auf Dauer nützen sie dem Unternehmen sehr.“