„Ich bin selbst Motorradfahrer und auch Organspender“, sagt der Inhaber der Gifhorner Tätowierbar am Bahnhof Gifhorn-Isenbüttel mit sarkastischem Unterton. „Was ich gerne für mich haben möchte, möchte ich auch für andere tun – so einfach ist das.“ Ganz so einfach ist es im Alltag dann aber doch nicht. Inzwischen melden sich immer mehr Menschen, um sich das Organspende-Tattoo stechen zu lassen. Aktuell hält sich Drangmeister dafür den Freitag frei. Etwa eine halbe Stunde Arbeit und auch die Materialien investiert er jedes Mal quasi ehrenamtlich in die Aktion. Mit diesem Ansturm habe er kaum gerechnet. „Sogar aus Hannover ist jemand gekommen, um sich das Motiv stechen zu lassen.“ Schöne Geste: Der Waren-Lieferant hat ein Paket frischer Nadeln springen lassen, „weil er das super findet“.
Dass sich so wenige Menschen aktiv mit dem Thema Tod und Organspende auseinandersetzen, kann er kaum nachvollziehen. „In anderen Ländern muss man einer Entnahme widersprechen. In Deutschland ist das völlig falsch, dass man ausdrücklich zustimmen muss.“ Wenige Minuten später fällt dieser Satz fast haargenau noch einmal so. Tim Köhler ist zur Tätowierbar gekommen. Das Organspende-Tattoo ist für ihn ein Muss. Über die seiner Meinung nach umständliche Regelung in Deutschland kann er nur den Kopf schütteln.
Er macht’s gleich vor, wie schnell man zum Werbeträger für Organspenden werden kann. Der Unterarm wird gründlich desinfiziert, die Vorlage, die Drangmeister vorgearbeitet hat, ist aufgelegt – und schon nach rund 20 Minuten prangt neben einem Notenschlüssel-Tattoo über dem Handgelenk das Kreis-Symbol. Vorgeschrieben ist die genaue Körperstelle übrigens nicht. „Aber Sinn macht es natürlich nur, wenn es an gut sichtbaren Stellen ist.“ Und schnell lesbar. Deshalb erklärt der Tätowierer auch, dass das Motiv so auf die Haut kommt, dass er der Lesende ist. Drangmeister selbst überlegt, ob er sich das Symbol im Brustbereich stechen lassen wird. „Ich selbst bin sogar noch radikaler und möchte erst gar nicht wiederbelebt werden, wenn es mich zerlegt.“Einen Organspendeausweis trage er schon seit vielen Jahren bei sich. Dieser ist übrigens nach wie vor die ausschlaggebende, rechtsgültige Bejahung einer Organspende. Das Tattoo signalisiert Rettungskräften erst einmal nur die zustimmende Grundhaltung. „Es wird ja nicht gleich einfach jemand auf der Stelle im Krankenwagen zerfleddert“, möchte Köhler Ängste zerstreuen, dass im Notfall voreilig Organentnahmen gemacht werden. In der Tätowierbar liegen daher auch Infoblätter und Ausweise aus, die das Ja zur Organspende rechtlich auf sicheren Boden stellen.
Über Leben und Tod sowie den Sinn einer Organspende müssen Köhler und Drangmeister beim Tätowieren des Motivs nicht sprechen. Andere hingegen erzählen schon Persönliches, sagt der Tätowierbar-Chef. „Einige sind Betroffene, andere haben im Umfeld das Thema Organspende.“ Bei Köhler (38) blieb haften, dass in seiner Fahrschulzeit über die Wichtigkeit von Organspenden geredet wurde. „Wenn man damit jemandem helfen kann, ist das doch sinnvoll. Die Familie weiß darüber Bescheid“, sagt er. „Bei einigen ist es wohl Faulheit, sich nicht aktiv darum zu kümmern“, bedauert der Gifhorner.
Nach etwa 20 Minuten hat er schließlich das neue Tattoo am Körper. Schmerzfrei war’s. Sprühpflaster drauf – und schon ist Köhler auch als Werbeträger für Organspenden in der Mühlenstadt unterwegs. Dafür opfert Drangmeister gerne Zeit und Arbeitsstunden. „Das ist so ein wichtiges Thema. Man muss sich schon mit dem Thema Tod beschäftigen“ – und wie man durch ein Signal auf der Haut neues Leben schenken kann.