„Wir sind durch einen Artikel in der Aller-Zeitung auf die Aktion gestoßen“, verwies Roland Bursian auf einen Aufruf des Arbeitskreises Stolpersteininitiativen zwischen Harz und Heide. In Erinnerung an die Opfer der nationalsozialistischen Terrorherrschaft koordinierte der Arbeitskreis eine Putzaktion um den 8. Mai herum, an dem weltweit dem Kriegsende in Europa gedacht wird und in Deutschland vor allem auch der Befreiung vom Nationalsozialismus. An 13 Orten zwischen Harz und Heide beteiligten sich lokale Gruppen daran – in Gifhorn eine, die aus dem Runden Tisch gegen Rechts hervorgegangen ist.
„Eigentlich wollten wir heute zu einem Vortrag mit Diskussion einladen. Aber das hat nicht geklappt“, sagte Bursian. Kurzerhand verständigte man sich darauf, statt dessen die Stolpersteine zu putzen. Die Gruppe aus dem Runden Tisch sieht sich übrigens ausdrücklich nicht in Konkurrenz zum bereits etablierten Bündnis „Bunt statt Braun“, sondern versteht sich als Ergänzung der Netzwerkarbeit. Sie ist kreisweit aktiv, während das Bündnis sich vor allem in Gifhorn engagiert.
Bundesweit erinnern Stolpersteine, ein Kunstprojekt von Gunter Demnig, an die Opfer des Nationalsozialismus direkt vor ihren damaligen Wohnungen oder Häusern. In Gifhorn zählten dazu Alice Frieda Nathansohn, Bertha Müller, Erich Lehmann, Willy und Hedwig Redlich, Heinrich Alberts, Walter Hartung, Albrecht Muenk und Erich Willigeroth – entweder wegen ihrer jüdischen Wurzeln oder geistiger Behinderung. Einige wurden in Konzentrationslagern umgebracht, andere zwangssterilisiert oder in den Selbstmord getrieben.Wie wichtig es ist, die Gräueltaten des Nazi-Regimes mit seinen vielen Helferinnen und Helfern nicht zu vergessen, zeigt ein Blick in die jüngere Gifhorner Vergangenheit. Am 8. Mai 1991 jagten 15 Neonazis den 23-jährigen Punker Matthias Knabe. Auf seiner Flucht erfasste ihn ein Auto auf der Bundesstraße 4. Bei dem Unfall erlitt Knabe schwere Hirnverletzungen, denen er am 4. März 1992 erlag. Einer der Täter wurde zu zwei Jahren Haft verurteilt wegen Beteiligung an einer Schlägerei und fahrlässiger Tötung. Und am 4. Juni 1991 erstach ein 17-Jähriger aus der Gifhorner Neonaziszene den 39-jährigen Helmut Leja. Der Täter wurde wegen Totschlages zu sechs Jahren Jugendhaft verurteilt.
Beide Fälle sind laut Amadeu-Antonio-Stiftung nach wie vor politisch nicht offiziell als rechte Gewalt anerkannt worden. Eine Ausstellung der Mobilen Beratung Niedersachsen gegen Rechtsextremismus und für Demokratie greift sie dennoch auf. Sie erinnert an insgesamt zehn Todesopfer rechter Gewalt in Niedersachsen und ist vom 19. Juni bis 2. Juli im Mehrgenerationenhaus Omnibus, Steinweg 20, in Gifhorn zu sehen.
Die Gruppe aus dem Runden Tisch gegen Rechts nutzte den Gedenktag, um durchs Putzen der Stolpersteine aktiv ein Zeichen gegen das Vergessen einer wirklichen Diktatur zu setzen, die Millionen Menschen systematisch unterdrücken, ausbeuten und ermorden ließ. Andere Gifhornerinnen und Gifhorner zogen zeitgleich durch die Fußgängerzone, um gegen eine vermeintliche Diktatur zu demonstrieren, die ihnen angeblich ihre Gas- und Ölheizungen wegnehmen will.