Ein Tablet, mehr liegt selten auf dem Tisch: So sieht der „Arbeitsplatz“ heute im Politik- und Wirtschaftsunterricht der 11A aus. Etui mit Stiften, Bücher und Schreibblock brauchen die Schülerinnen und Schüler sowieso nicht. Schreiben wird heute allein ChatGPT. Sogar die Einführung hat sich Lehrerin Karen Beatrice Wegner von der künstlichen Intelligenz schreiben lassen. Es klingt sehr förmlich, sogar die Gäste von der Aller-Zeitung begrüßt ChatGPT namentlich und ausgesprochen höflich. „Ich hoffe, Sie hatten ein schönes Wochenende.“
Danilo lässt sich davon nicht einlullen. „Es ist eine Frage der Zeit, bis wir viele Jobs damit ersetzen können“, sagt der 17-Jährige aus Adenbüttel. Auch einen Einfluss auf Politik und Militär hält er für möglich. Und ihm ist auch klar: Schüler und Studenten missbrauchen es schon heute. „Weil es so einfach ist.“ Er selber nutze ChatGPT. Er gebe seine selbst erarbeitete Hausaufgabe dort ein und frage nach Verbesserungen.
Das und mehr Punkte tragen Danilo und seine Klassenkameradinnen und -kameraden zu Beginn der Doppelstunde zusammen. Danach geht es an die Aufgaben. Eie Gruppe lässt zwei KI-Programme schreiben. Die eine formuliert getragen und etwas hölzern, es klingt wie eine Politikerrede. Die andere kommt flippiger und hipper daher, könnte von einer jung-dynamischen PR-Agentur stammen.
Maxima (16) aus Adenbüttel gibt einer Siebtklässlerin Deutsch-Nachhilfe. Dafür habe sie sich neulich von ChatGPT eine Geschichte schreiben lassen. „Ich hatte nichts zur Hand.“ Doch vom Hocker gehauen hat ChatGPT sie nicht. „Es war relativ langweilig, nicht sehr schön ausformuliert.“
Auch Mika (17) aus Lagesbüttel entdeckt hier und da noch Schwächen. Er hat die KI bei Erklärungen zu Fragen rund um Plus und Minus bei Wurzelrechnungen auf die Probe gestellt. „Obwohl man selbst es in zwei Sätzen erklären könnte, war es viel zu komplex.“ Dafür ist ChatGPT bei der Übersetzung von Latein herkömmlichen Übersetzern wie Google Translate, die mit der Grammatik überfordert seien, deutlich überlegen, finden die Gymnasiasten.
Auch Lehrerin Wegner sieht die Stärken der KI. ChatGPTs Begrüßung, Einleitung und Konzept für die Doppelstunde sei das Ergebnis von drei Minuten gewesen. Ihre Quellensichtung hätte wohl zwei Tage gedauert. Auch ansonsten macht sie gute Erfahrungen. Die Unterschiede zwischen Max Webers „protestantischer Arbeitsethik“ zu Walter Benjamins „Kapitalismus und Religion“ erläutert: „Da war ich erstaunt, dass keine schlechte Antwort herauskam.“
Wegner findet die KI „aus politischer Sicht interessant“. „Wie kommt die KI zu ihren Daten? Was passiert mit unseren Daten?“ Auch darüber sinniert sie mit ihren Schülerinnen und Schülern. Sie finde es wichtig, sich mit diesem Thema zu befassen.
Wegner hat keine Bedenken, dass Schülerinnen und Schüler in ihrem Fach ihr von ChatGPT geschriebene Hausaufgaben unterjubeln. „In meinen Fächern ist das relativ schwierig. Die Aufgabenstellung ist komplex.“ Bei Mathe könnte es schon anders sein, findet sie. Aber da winkt Danilo ab. Auch bei Mathe und Chemie müsse er schon erklären können, wie er zu seinem Ergebnis komme – und das gehe eben nur, wenn er es selber löse.