Es ist einer der ersten richtig warmen Tage des Jahres. Wer an diesem Nachmittag auf den Erixx in Richtung Uelzen wartet, döst auf dem Bahnsteig in der Sonne – oder wahlweise im Schatten. Der Ostwind hat seinen Schrecken verloren, in seinem Hauch muss heute keiner frösteln. Doch wie gemütlich ist das Warten an einem zugigen Herbst- oder Wintertag, wenn der Zug mal wieder Verspätung hat? Der Blick durch die vergilbten Scheiben der verschlossenen Türen fällt auf einen wenig einladenden ehemaligen Wartesaal. Dort drinnen stehen Stühle, ein Tisch neben Steinwolle-Paketen und einer Kabelrolle, es versprüht den Charme des Pausenraums eines Handwerkertrupps. An der Wand hängen Werbeplakate für ein Konzert mit Kurt Masur und New York Philharmonic im September 2001.
Ein Bistro gehört zu den Ideen, die schon vor einiger Zeit zur Sprache gekommen sind, ebenso ein Jugendtreff sowie eine Station rund um Fahrrad-Werkstatt und -Verleih. Anfang 2021 legte die Stadtverwaltung der Politik ein 2,5-Millionen-Euro-Konzept vor. In den Monaten danach verwies die Stadtverwaltung bei AZ-Anfragen zum Sachstand immer wieder darauf, dass der Betrieb des Stellwerks und die Zukunft des alten Postgebäudes noch unklar und somit abzuwarten seien, bevor es an konkrete Nutzungsentwürfe gehe.Auch die Politik hatte seitdem andere Themen auf der Agenda. So räumt Nicole Wockenfuß von Bündnis 90/Die Grünen ein, dass die Nachnutzung des alten Bahnhofsgebäudes in der jüngsten Zeit aus dem Blick geraten sei. „Wir haben nichts weiter überlegt.“ Allerdings sei es auch aus Richtung des Rathauses zu dem Thema sehr still geworden. „Von der Verwaltung haben wir auch nichts weiter gehört. Wir müssten mal wieder nachfragen.“
Zumal die Deutsche Bahn Ende März im AZ-Gespräch einen Termin für die Umstellung vom museumsreifen alten Stellwerk auf elektronische Technik genannt hat: Ende 2025/Anfang 2026. Was Investitionen gerade mit Fördermitteln angeht, ist das bis dahin eine knappe Zeit, räumen auch Thomas Reuter und Gunter Wachholz, Fraktionschefs der Mehrheitsgruppe aus CDU und SPD, auf AZ-Nachfrage ein. „Wir können nicht Ende 2024 damit anfangen“, sagt Reuter. Deshalb werde die Nachnutzung des Bahnhofsgebäudes in der kommenden Klausur im Herbst dieses Jahres auf den Tisch kommen.
Gesprächsbedarf gibt es, allein schon wegen der Kosten. „Ich kann mich erinnern, dass da hoher Sanierungsbedarf ist“, sagt Wachholz. Ohne Fördermittel könne die Stadt das kaum wuppen. Und gerade was Fördermittel angehe, müsse man frühzeitig am Drücker sein, ergänzt sein Partner Reuter. Sowohl Reuter und Wachholz als auch Wockenfuß bringen in diesem Zusammenhang das Integrierte Stadtentwicklungskonzept (ISEK) ins Gespräch, mit dem Gifhorn zum Beispiel auch die Bürgerinnen und Bürger an der Frage beteiligt, wie die Stadt in Zukunft aussehen soll.
Reuter und Wachholz sehen den Bahnhof durchaus immer noch in einer zentralen Rolle. Das Gebäude aus wilhelminischen Zeiten einfach seinem Schicksal überlassen? „Es wäre schade drum“, sagt Reuter. „Gerade bei der tollen Lage.“ Es sei noch mitten in der Innenstadt, Investor Acribo habe für das Postgebäude gegenüber ein Nutzungskonzept: „Das Umfeld ist attraktiv.“ Wachholz verweist darauf, dass die Nutzung des Bahnhofs immer noch mit dem Konzept des Postgebäudes abzustimmen sei.
Eines hat sich Reuter fest vorgenommen: Gastronomie. „Das sollte auf jeden Fall angestrebt werden.“ Die Themen Rad-Verleih und -Werkstatt sind ihm zufolge auch „noch in der Pipeline“, obwohl es bislang an interessierten Anbietern gefehlt habe. Auch in diesen Punkten erhoffen sich Reuter und Wachholz noch Impulse aus dem ISEK-Verfahren.