„Patienten mit Aktionen auf das Thema aufmerksam machen, halte ich für richtig“, sagt Dr. Carsten Gieseking, Sprecher der Hausärzte im Landkreis Gifhorn. Von der Ausfallgebühr an sich hält er aber nichts, der Aufwand ist seiner Meinung nach zu groß. „Wie hoch soll die Gebühr ausfallen, und wer soll das Geld eintreiben? Das macht nur mehr Bürokratie und davon haben wir ohnehin genug“, meint er. Zudem seien Hausarztpraxen von dem Problem generell weniger betroffen. „Es ist in aller Regel so viel los, dass wir nicht eingehaltene Termine anders besetzen können.“ Das könne aber bei anderen Fachärzten wie Radiologen und Kardiologen ganz anders aussehen. „Wenn ein Kardiologe für einen Patienten 20 oder 30 Minuten geblockt hat, dieser dann aber nicht zum Termin erscheint, dann ist das nicht nur ärgerlich, sondern auch unwirtschaftlich“, so Gieseking.
Einen Termin zu vergessen könne jedem mal passieren. „Wenn es aber wiederholt vorkommt, achten wir darauf, die Patienten dahingehend zu erziehen“, so Gieseking. „Wenn das nicht klappt, müssen sie sich eine andere Praxis suchen.“
„Viele Hausärzte bemerken es gar nicht, wenn ein Patient seinen Termin nicht einhält“, sagt Andreas Altrock, Hausarzt in Edemissen. Die Auslastung der Praxen sei so hoch, dass direkt der nächste Patient nachrückt. Anders sei es bei Terminen zu größeren Untersuchungen, die auch mehr Zeit in Anspruch nehmen. „Wenn ein Patient oder eine Patientin beispielsweise mehrmals einen Termin zu einem großen Check-Up nicht eingehalten hat, dann bekommt er auch keinen neuen mehr“, so Altrock. „Ich suche in diesen Fällen das persönliche Gespräch und versuche herauszufinden, wo das Problem liegt.“
Von einer gesetzlich vorgeschriebenen Ausfallgebühr, wie sie die KBV fordert, hält er ebenso wie sein Ilseder Kollege Dr. Friedrich Scheibe nichts. „Das wird sich nicht durchsetzen lassen“, so Dr. Scheibe. „Die Höhe festzusetzen und den tatsächlichen Verlust darzulegen, wäre sehr schwierig.“
KBV-Vorstandschef Dr. Andreas Gassen hatte erst kürzlich erneut für eine Ausfallgebühr plädiert. „Sieben von zehn Praxen beklagen in einer von uns durchgeführten Online-Umfrage Probleme mit verpassten Terminen“, so Dr. Gassen. „Die Termine sind geblockt und stehen dann für andere Patienten nicht zur Verfügung. Praxen können die Termine nicht zweimal vergeben.“ Jede Forderung von Patienten nach schnelleren und mehr Terminen sei angesichts dieser Zahlen „einfach lächerlich“. Doch genau in dieser Terminknappheit könnte die Ursache liegen, vermutet Dr. Pabst. „Wenn ich erst in einem halben Jahr einen Termin bei einem Facharzt habe, dann kann der auch mal in Vergessenheit geraten.“
An der Online-Umfrage der KBV hatten sich Ende Juni innerhalb einer Woche über 2.000 niedergelassene Ärzte beteiligt. Auf die Frage „Haben Sie in Ihrer Praxis Probleme mit nicht abgesagten Terminen?“ antworteten fast 70 Prozent mit „Ja“ und rund 30 Prozent mit „Nein“. Dabei handelt es sich bei über 40 Prozent der betroffenen Praxen um fünf bis zehn Prozent aller Termine, die Patienten vereinbart hatten, aber ohne Absage nicht erschienen sind. Bei 16 Prozent der betroffenen Praxen waren es sogar zehn bis 20 Prozent.
Nach Ansicht des Ilseder Hausarztes Dr. Friedrich Scheibe müssten sich die Strukturen grundlegend verändern. „Wir brauchen ein System, durch welches die Patientinnen und Patienten hindurch geführt werden“, so der Mediziner. Zu oft würden Menschen ohne eine bestimmte Indikation Fachärzte aufsuchen und Termine für vielleicht schwer Erkrankte blockieren. Wenn diese dann noch nicht einmal wahrgenommen werden, ist das doppelt ärgerlich. Den erzieherischen Ansatz hinter der Idee einer Ausfallgebühr kann Dr. Scheibe deshalb nachvollziehen. „Wir müssen den Menschen klar machen, dass in solchen Fällen auch Arbeitszeit und Ressourcen verbraucht werden“, erklärt der Arzt, der allerdings eher an die Vernunft seiner Patientinnen und Patienten appelliert. „Wenn ich einen Termin nicht absage, nehme ich einem anderen Menschen, der vielleicht schon lange auf einen Termin wartet, die Möglichkeit, sich in dieser Zeit behandeln zu lassen.“
Insgesamt würden die Patienten allerdings recht zuverlässig sein, so die Ärzte. Angesichts der immer knapper werdenden medizinischen Versorgung – gerade auch auf dem Land – würden die meisten Menschen einen festen Hausarzt wieder mehr zu schätzen wissen. „Man wechselt nicht mal eben so den Arzt“, sagt Altrock, der in seiner Edemisser Praxis zwar noch keinen Aufnahme-Stopp hat, aber dennoch voll ausgelastet sei. „Das ist ja auch gar nicht möglich.“