Prellungen, leichte Verletzungen und Traumata waren die Folge des Unfalls, der im April diesen Jahres für Aufsehen gesorgt hatte. „Ich bin noch immer tief erschüttert und bestürzt über die Ereignisse. Es liegt mir schwer auf der Seele, Menschen verletzt zu haben“, bekennt die Angeklagte rückblickend. Auch ein Baum und Zaun wurden beschädigt. Der wirtschaftliche Totalschaden des Autos liege bei rund 29.000 Euro.
Die Angeklagte hätte eine ganze Reihe an Schicksalsschlägen, wie die tödliche Erkrankung ihres Lebensgefährten, eine Fehlgeburt oder die Pflege ihres dementen Vaters erleiden müssen, bevor sie sich verzweifelt dazu entschloss, die Marihuana-Reste ihres Ex-Freundes zu Keksen zu verwerten. Diese seien letztendlich der Auslöser für den Unfall gewesen.
„Ich war nicht mehr ich selbst“, erzählt sie mit Blick auf den Tag des zweiten Aprils. Die Drogen hätten in ihr das starke Gefühl ausgelöst, Jesus zu sein. Sie glaubte, Frieden verbreiten zu können, wenn sie auf das Gaspedal drücke. An den Unfall selbst könne sie sich kaum erinnern. Lediglich den Moment, als sie aus der kaputten Fahrertür ihres Autos stieg, könne sie vor ihrem geistigen Auge sehen.
„Das Schrecklichste, was hätte passieren können, ist eingetreten: Nämlich, dass ich Menschen verletzt und gefährdet habe“, gesteht die Angeklagte. Der Unfall-Tag endete für die junge Frau in der Psychatrie in Königslutter, wo sie für weitere vier Wochen stationär aufgenommen wurde. Die Diagnose sei eindeutig gewesen: Eine akute Psychose. Nach weiteren zwei Wochen zu Hause hätte sie ihre Arbeit als Pädagogin an einer Förderschule mit geistig behinderten Kindern wieder aufgenommen, um ihrem Leben einen Sinn zu verleihen.
„Aber Sie müssen doch schon vor dem Unfall gemerkt haben, dass etwas nicht mit Ihnen stimmt“, gibt der Richter zu bedenken. Die Angeklagte berichtet von sprunghaften Intervallen und wechselhaften Zuständen: Mal sei sie irrlos im Wald herumgelaufen, dann hätte es aber auch wieder kleine Lichtblicke gegeben, wo sie nach Hilfe gefragt hätte, aber weggeschickt worden sei. „Diese Zustände waren so irrational, dass ich sie selber gar nicht greifen kann“, hält sie fest.
Eines der Opfer sei mit ihrem Mann zusammen an jenem Sonntagmorgen auf dem Weg von Celle nach Braunschweig gewesen, als ein weißes Auto in schnellem Tempo auf das Auto des Paares zugefahren sei. „Ich habe gedacht, der muss doch endlich mal bremsen“, erzählt die Zeugin weinend. Es hätte laut gekracht, die Zeugin hätte geschrien. Die leichten Verletzungen, in Form von Prellungen und blauen Flecken, seien inzwischen wieder verheilt. Aber das Trauma bleibt. „Ich hätte auch tot sein können“, flüstert die Zeugin in Richtung der Angeklagten.
Auch das Autofahren sei heute ein anderes als früher: Ihr Mann fahre viel vorsichtiger. Sie selbst bekäme bei jedem weißen Auto, das von rechts komme, Panik. „Ich hoffe, dass sowohl Sie als auch Ihr Mann diese Ereignisse gut verarbeiten können“, sagt der Richter. Sieben weitere Zeuginnen und Zeugen sind im Gifhorner Amtsgericht anwesend. Doch dem Richter reiche die exemplarische Aussage einer Zeugin. „Ich weiß, es gibt keine Entschuldigung für dieses Verhalten. Es tut mir leid, dass ich Sie da mitreingezogen habe“, erklärt die Angeklagte unter Tränen.
Nach Angaben der Staatsanwaltschaft hätte sich die Angeklagte nach Paragraph 315b des Strafgesetzbuches strafbar gemacht. Durch den schlechten psychischen Zustand, in dem sich die Angeklagte zum Zeitpunkt der Tat befand, könne ihr unter Umständen eine verminderte Schuldfähigkeit zugestanden werden. „So eine Tat begeht man nicht, wenn bei Sinnen ist“, hält der der Vertreter der Anklage fest. Die Verteidigerin bestätigt, dass sie noch nie einen solchen Fall erlebt hätte. Aus ihrer Sicht gäbe es keine Anhaltspunkte, dass die Angeklagte mit Absicht einen Unglücksfall herbeigeführt hätte. Durch die Psychose sei die Angeklagte gar nicht in der Lage gewesen, eine Absicht zu bilden. „Der Fall verdeutlicht, was Schlimmes passieren kann, wenn man Drogen nimmt, ohne es gewohnt zu sein“, gibt die Verteidigerin zu bedenken.
„Man kann nicht ausblenden, dass es zu Toten hätte kommen können“, hält der Richter fest. Allerdings hätte die Angeklagte keinerlei Vorbestrafungen. Zudem hält der Richter fest: „Ein normal denkender gesunder Mensch macht so etwas nicht.“ Daher lautet das abschließende Urteil: Acht Monate Freiheitsstrafe, die zu einer Bewährung von drei Jahren ausgesetzt wird, sowie eine Geldstrafe von 1800 Euro, die die Angeklagte in monatlichen Raten von je 100 Euro an die Notrufsäulen-Betreiber an den Autobahnen zahlen muss. Diese Strafe sei, nach Angaben des Richters, für die Schwere der Tat und Schuld angemessen. Die Fahrerlaubnis sei der jungen Frau bereits entzogen worden. Der Richter beschreibt die Tat als „Unfall mit relativ glücklichem Ausgang“. Sowohl die Angeklagte als auch die Opfer werden wohl dennoch viel Zeit brauchen, um dieses traumatische Erlebnis verarbeiten zu können.