Ein Einschnitt im Leben von Melanie Balzer war 2012 die Geburt von Mattis. Er kam mit einem Gendefekt auf die Welt, war mehrfach schwerstbehindert. Sein kurzes Leben und das seiner Mutter war in der Folge geprägt durch wiederholte lange Krankenhausaufenthalte, vornehmlich Auf der Bult in Hannover. „Man kann sich nicht vorstellen, wie das ist, wenn man es nicht erlebt hat“, so Balzer, die diese Erfahrung dennoch als wertvoll erachtet und Mattis Erdendasein als sinnvoll und für alle, die ihn kannten, bereichernd. Dennoch gab es „todtraurige Momente“, wie im Krankenhaus nach einer weiteren unheilvollen Diagnose: „Da ging die Tür auf und ein bunt gekleideter Akkordeonspieler kam herein.“ Und die Freude darüber war Mattis anzusehen. Die Erfahrung von Trost und Ablenkung durch Anteilnahme von außen half auch seiner Mutter in dieser schwierigen Zeit.
Sie nähte auch im Krankenhaus Blöcke mit „Hoffungssternen“ zusammen, die ihr Bekannte geschickt hatten. Am Ende wurde der Quilt über Mattis’ Sarg ausgebreitet. Nachdem er diese Welt wieder verlassen hatte und plötzlich alles ganz anders war, fiel Melanie Balzer „in ein Loch“, machten ihr Depressionen zu schaffen, von denen sie sich auch dank der Superhelden-Idee und deren Umsetzung irgendwann befreite. Eine Freundin zeichnete das Logo, einen fliegenden kleinen Jungen mit Umhang und einem „M“ auf der Brust, das jeden Quilt ziert, der verschenkt wird. Aber Quilts herzustellen, ist nicht billig, etwa 80 Euro kostet ein Exemplar. Um an Material zu kommen und den „Output“ zu erhöhen, ließ sich Melanie Balzer vergangenes Jahr etwas einfallen: Sie veröffentlichte im Internet eine mit Copyright belegte Anleitung fürs effektive Vorsortieren von Blöcken zum allgemeinen Gebrauch – und bat dafür jeden Nutzer um ein Quilt-Top.
Auf diese Weise stellte Balzer mit der Langarm-Nähmaschine in ihrem Quilt-Keller bis Weihnachten 30 der bunten Wohlfühldecken her und reichte sie an Einrichtungen für Kinder weiter wie SOS-Kinderdörfer und Krebskliniken. 40 weitere Quilts sind fertig und müssen versandt werden – dabei wird Porto fällig. Um dafür Geld in die Kasse zu bekommen, verkaufte Melanie Balzer beim jüngsten Weihnachtsmarkt selbst gemachte Täschchen und Schlüsselanhänger. Von den Landfrauen Boldecker Land, die ihre Arbeit hoch schätzen, bekam sie dieses Jahr Geld gespendet. Auch Stoffspenden nimmt sie an, allerdings nur „nach vorheriger Absprache, damit nicht Müllsäcke mit alter Bettwäsche vor der Tür liegen“.
Es gibt eine Facebook-Gruppe „Quilts für Superhelden“ und auch auf Instagram wächst die Aufmerksamkeit für das Projekt „extrem“. Quilt-Oberseiten kommen auch aus der näheren Umgebung von der Nähgruppe „Allerlei Nadelei“ aus Ehmen. Und einmal im Monat trifft sich die Quilts-für-Superhelden-Ortsgruppe bei Melanie Balzer „zum Quilten, Quatschen, Kaffeetrinken“. Mit dem Quilten aufhören kann die Mutter von zwei weiteren Kindern, die nebenbei noch arbeiten geht, definitiv nicht: „Dafür macht es zu viel Freude – auch wegen der Rückmeldungen, die man bekommt.“ Stille Freude ist es auch, wenn sie nach der Arbeit in ihren Quilt-Raum geht und dort eine „eigene Welt betritt“, in der sie Blöcke nach Farben sortiert, Stoffe fühlt und daran denkt, „für wen ich es mache“.
Für die Zukunft möchte Melanie Balzer „Quilts für Superhelden“ verstärkt auch an lokale Adressaten weitergeben, die Bedarf haben, „beispielsweise Trauergruppen“. In Kontakt treten können Interessierte mit ihr per E-Mail an quiltsfuersuperhelden@gmail.com oder über die sozialen Kanäle.