Abgesehen von den aktuellen Verspätungen durch Signalstörungen sorgt allein schon die Eingleisigkeit der Strecke zwischen Uelzen, Gifhorn und Braunschweig immer wieder für Probleme bei der Pünktlichkeit: Weil die Erixx-Züge sich nur an drei Bahnhöfen – Bad Bodenteich, Wahrenholz und Rötgesbüttel – begegnen, schaukeln sich Verspätungen schnell auf, weil ein Zug immer auf den anderen warten muss. Regelmäßig verweist der Regionalverband auf AZ-Nachfrage darauf, dass spurtschnellere Elektro-Züge neben dem Abbau von Langsamfahrstellen eine Lösung des Problems wären.
Elektro-Züge auf einer Strecke ohne Oberleitung? Bislang gibt es nur zwischen Uelzen und Wieren Strom von oben. Ab 2029 will der Regionalverband den Abschnitt zwischen Gifhorn und Braunschweig elektrifizieren. Und dazwischen? Da kommen jene batterieelektrischen Züge, im Fachjargon Bemu (Battery Electric Multiple Unit) genannt, ins Spiel, für die das Land nun mit dem Zuwendungsbescheid grünes Licht gibt. Sie wären dort bestens einsetzbar, weil sie während des Oberleitungsbetriebs oder an Ladestellen ihre Akkus aufladen können.
Allein der Regionalverband soll für die Anschaffung von 30 solcher Bemu-Zügen vom Land 267 Millionen Euro erhalten, die Landesnahverkehrsgesellschaft für weitere 40 Züge 356 Millionen Euro. Unter anderem das sogenannte Harz-Heide-Netz, zu dem neben der RB 47 von Braunschweig über Gifhorn nach Uelzen auch weitere Verbindungen in den Harz, in den Elm und nach Salzgitter zählen, soll mit als erstes von Diesel auf batterieelektrisch umsteigen. Die neuen Triebwagen sollen zum ersten Mal auch Türen für zwei verschiedene Bahnsteighöhen haben, sodass mobilitätseingeschränkte Passagiere überall selbstständig ein- und aussteigen können.
Leise, komfortabel und sauber: Für Niedersachsens Verkehrsminister Olaf Lies spielt bei der Anschaffung der neuen Züge vor allem das Thema Dekarbonisierung eine Rolle. Die Fördermittel würden dazu verwendet, eine Flotte moderner elektrischer Züge anzuschaffen, die dazu beitragen werde, den CO2-Ausstoß im öffentlichen Nahverkehr signifikant zu reduzieren. Dadurch werde Niedersachsen einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz leisten und gleichzeitig die Lebensqualität der Bürgerinnen und Bürger verbessern. Laut Regionalverband soll jenes Harz-Heide-Netz dann von Anfang an klimaneutral sein.„Wir sind stolz darauf, unseren Beitrag zur Dekarbonisierung des Verkehrssektors zu leisten“, so Lies weiter. „Mit dem Deutschlandticket haben wir gemeinsam mit dem Bund, den Kommunen und die Nahverkehrsunternehmen ein revolutionäres Angebot geschaffen.“ Parallel arbeite man daran, die Qualität des Angebots nach und nach zu verbessern. Man setze daher auf eine Infrastrukturoffensive mit dem Ziel, Kapazitäten im Regionalverkehr zu erhöhen, Taktungen zu verbessern und die Zuverlässigkeit zu steigern, so Lies weiter. „Zusammen mit unseren Initiativen zur Reaktivierung von Bahnstrecken und Bahnstationen sowie Verknüpfungsanlagen (Park & Ride) und nun der Beschaffung dieser neuen, batterieelektrischen Züge wollen wir den SPNV im Wortsinn Zug um Zug voranbringen.“
Dazu gehört auch ein weiterer Haltepunkt in Isenbüttel, den spurtschnellere Züge in Verbindung mit verbesserter Strecke ermöglichen, weil sie die zusätzliche Haltezeit im Fahrplan wieder herausfahren können. Der Regionalverband kündigte jüngst an, dass der Haltepunkt voraussichtlich Ende 2026 stehen könnte. Mit der Elektrifizierung zwischen Gifhorn und Braunschweig ist darüber hinaus ein Halbstundentakt beim Erixx angestrebt. Dazu ist nach früheren Angaben des Regionalverbandes noch ein weiterer Begegnungsbahnhof nötig, nämlich in Braunschweig-Kralenriede. Die Infrastruktur sei der Schlüssel zum Erfolg, sagen Carmen Schwabl von der Landesnahverkehrsgesellschaft und Ralf Sygusch vom Regionalverband.
Den nächsten Schritt haben Landesnahverkehrsgesellschaft und Regionalverband auch schon getan: Sie haben vor gut einer Woche bereits die europaweite Vergabe jener 70 Niedersachsen-Bemu-Züge mit der ersten Phase, dem Teilnahmewettbewerb, begonnen. „Erstmalig in Deutschland schreiben hier zwei Aufgabenträger gemeinsam Fahrzeuge für ihre jeweiligen Netze aus“, so der Regionalverband in einer Presseerklärung. Bestandteil der Vergabe ist auch die Instandhaltung der Züge über 30 Jahre durch den Hersteller der Fahrzeuge.