Sandra Fricke liebt Tiere. Und so war es für sie und ihre Familie keine Frage, bei einer Zwillingsgeburt von Lämmchen, die ihrem Großonkel gehören, schnell zu helfen. Denn: Das Muttertier kümmerte sich nur um das stärkere Jungtier. Hätte sich damals 24 Stunden kein Ersatz gefunden, wäre das der sichere Tod von Lucky gewesen. Und das verhinderten Svenja und Finja, die damals neun und elf Jahre alten Töchter von Sandra Fricke mit.
Im Garten der Frickes fand Lucky ein neues Zuhause, wurde mit der Milch ihrer Mutter gefüttert, mehrfach täglich und sogar bis tief in die Nacht hinein. Es war Freundschaft auf den ersten Blick zwischen Lucky und den Mädchen. Die kümmerten sich rührend, tobten mit dem neuen Familienmitglied durch den Garten – und führten es sogar am Halfter durchs Dorf. Spaß haben alle mit dem putzigen Tier gehabt. Frisch mit Milch gefüttert, habe man sogar das Planschen im Bauch gehört, das habe Lucky im Kreise der Familie den Zweitnamen „Milchshake“ eingebracht, erinnert sich Sandra Fricke lachend. Die Heidschnucke bekam den passenden Namen Lucky. So wie übrigens alle Haustiere der Frickes extra freudvolle Namen haben. Einen weiteren schönen Nebeneffekt hatte die Aufnahme des Jungtieres auch: Für die Kinder hätten es kaum einen schöneren und sinnvolleren Zeitvertreib inmitten der Corona-Pandemie geben können als verantwortungsbewusst für das Wohlergehen von Lucky zu sorgen.
Dass Lucky nicht dauerhaft direkt bei Frickes leben wird, war damals schon klar. Klar war aber auch, dass Lucky weder verkauft noch geschlachtet wird, sondern nach wenigen Monaten zur kleinen Herde zurückkehrt. Finja und Svenja hielten damals ihr Versprechen, sich auch weiterhin um das Tier zu kümmern. „Sie sind immer wieder hingegangen und haben ihn gefüttert. Er hat sogar auf seinen Namen reagiert.“
So lebte Lucky als Hammel gemeinsam auf einer Weide des Großonkels von Sandra Fricke. Der hat zuletzt aus Altersgründen den Bestand auf drei Schafe reduziert. Ein Muttertier war tragend – doch in der vorletzten Woche lagen dieses und Lucky tot auf der Weide in Nähe des Hauses. „Wölfe haben zwei der Tiere gerissen“, sagt Sandra Fricke. Die Spurenlage sei eindeutig, ein Wolfsberater sei hinzugezogen worden. Die Ergebnisse stehen noch aus. Eine Anfrage der AZ bei dem für Nutztierrisse zuständigen niedersächsischen Umweltministerium ist noch unbeantwortet.Für ihre Kinder Finja (15) und Svenja (13) sei eine Welt zusammengebrochen. „Es sind viele Tränen geflossen.“ Auch Sandra Fricke hat den Schock noch nicht verdaut. „Wer kann denn ahnen, dass Wölfe inzwischen schon so nah ans Dorf kommen?“ Aktuell hätten die Kinder große Angst, im Dunkeln durch den Ort zu gehen. Zwei Hunde trösten als Kuschelpartner die Kinder gerade besonders. Eine Konsequenz hat der Vorfall schon jetzt: Schafe wird’s bei Frickes nicht mehr geben. „Wir geben auf. Selbst wenn wir einen Wolfsschutzzaun bauen, ist das keine Garantie, dass die Tiere geschützt sind.“