Der im vergangenen Jahr vom Bundestag eingesetzte erste Bürgerrat zur Ernährungspolitik hat bei seinen Empfehlungen klare Prioritäten gesetzt: An erster Stelle steht der Vorschlag, für alle Kinder in Kitas und Schulen ein kostenloses Mittagessen anzubieten.
„Gute Ernährung ist wichtig für die körperliche und geistige Entwicklung sowie das Wohlbefinden der Kinder – und damit für ihren weiteren Lebensweg“, lautet die Begründung der 160 Gremiumsmitglieder. Außerdem würde es die Chancengleichheit zwischen den Kindern fördern. Schließlich sei gesundes Essen oft zu teuer für einkommensschwächere Familien. Es sollte aber allen Kinder angeboten werden, um niemanden zu stigmatisieren und den Gemeinschaftssinn zu fördern. Gleichzeitig sei es ein Beitrag zur Bildung und könne zukünftige Ernährungsmuster „positiv prägen“. Trifft das zu?
Wissenschaftlich belegt ist, dass unser Ernährungsverhalten während der Kindheit geprägt wird. Wer von klein auf gut und ausgewogen isst, behält dies meist auch als Erwachsener bei. Schwieriger ist es, Geschmack an gesunden Lebensmitteln zu finden, wenn man diese als Kind nicht kannte. Eine gute Ernährung von klein auf könnte auch dazu beitragen, Krankheiten vorzubeugen und länger gesund zu bleiben.
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) hat einen ausführlichen Leitfaden dafür erstellt, was gesundes Schulessen enthalten sollte. Dieser ist an Kinder angepasst und orientiert sich an den allgemeinen Tipps der DGE für eine vollwertige Ernährung: Sie empfiehlt überwiegend, aber nicht ausschließlich pflanzliche Nahrungsmittel, viel Vollkornprodukte, Obst und Gemüse, gesunde Fette und wenig Zucker und Salz.
In den Empfehlungen zur Schulverpflegung wird außerdem neben dem Nährwert auch die Nachhaltigkeit von Lebensmitteln berücksichtigt. So empfiehlt die DGE zum Beispiel, Reis nur gelegentlich zu servieren, da dessen Anbau als besonders klimaschädlich gilt. Stattdessen solle man ihn durch heimische Alternativen wie Grünkern oder Dinkel ersetzen.
Der Leitfaden enthält außerdem Praxistipps dafür, wie gesunde Alternativen den Schülern und Schülerinnen schmackhaft gemacht werden können. Einige davon können sich Eltern auch für zu Hause abschauen: So könnten Vollkornnudeln zunächst nur anteilig den herkömmlichen Nudeln untergemischt werden, um die Akzeptanz bei den Kindern zu fördern, schlägt die DGE vor. Wenn Kinder den Verzehr eines gesunden Lebensmittels wie Fisch ablehnen, seien laut DGE „Fantasie, Kreativität und etwas Geduld gefragt“. Sie sollten dann „immer wieder angeboten werden“ und mit bekannten und beliebteren Speisen kombiniert werden.
Er enthält auch konkrete Vorgaben dazu, wie oft welche Lebensmittel in der Fünftagewoche in der Schulmensa auf der Speisekarte landen sollten: Obst, Milch und Milchprodukte zum Beispiel mindestens zweimal täglich (morgens und mittags), Gemüse oder Salat mindestens einmal täglich und Fleisch höchstens zweimal pro Woche. Wichtig sei es außerdem, dass die Kinder genug Zeit zum Essen haben und stets zuckerfreie Getränke zur Verfügung gestellt werden.
Nur: Die ernährungswissenschaftlich basierten DGE-Empfehlungen sind bisher völlig unverbindlich. In einer Befragung der Hamburger Hochschule für angewandte Wissenschaften (HAW) zur Qualität der Schulverpflegung gab die Hälfte der befragten Schulen an, die Standards der DGE gar nicht zu kennen. Die Autoren und Autorinnen beurteilten die Qualität der Schulspeisepläne damals als „verbesserungswürdig“. Von den befragten Schülern und Schülerinnen wurde die Qualität des Schulessens zwar durchschnittlich mit der Schulnote 2,6 bewertet, was allerdings nichts über dessen Nährwerte aussagt.
Ein kostenloses Schulessen würde wohl dazu führen, dass die allermeisten Schüler und Schülerinnen es auch in Anspruch nehmen. Nach Wunsch des Bürgerrats sollten dann die DGE-Vorgaben überall umgesetzt werden – als Mindeststandard. Die Mittel dafür, die Bund und Länder gemeinsam aufbringen sollten, seien eine „Investition in die Zukunft“, heißt es in der Erklärung des Bürgerrats, auch weil das Gesundheitssystem dadurch auf Dauer entlastet werden könnte. Der Bundestag muss nun zumindest darüber beraten, bindend sind die Bürgerratsempfehlungen aber nicht.
Eine Untersuchung der Universität Lund in Schweden deutet an, dass sich ein gesundes Schulessen für alle tatsächlich langfristig positiv auswirken könnte. So wurde in Schweden bereits in den 1940er-Jahren damit begonnen, nach und nach ein kostenloses Schulessen von guter Qualität einzuführen. In einer Studie hatten die Forschenden den Lebensweg und die Gesundheitsdaten derjenigen ausgewertet, die ihre gesamte Schulzeit über das kostenlose Essen bekamen. Im Vergleich zu anderen Schülerinnen und Schülern waren diese als Erwachsene einen Zentimeter größer, hatten öfter studiert und hatten ein im Schnitt um 3 Prozent höheres Einkommen.