Und mit einem Faktor hatte er vor gut drei Jahren nicht rechnen können: Fatalerweise zog Reinecke unmittelbar vor Beginn der Corona-Pandemie an den aktuellen Standort am Steinweg. Auch wenn der Vermieter in der Härtephase nachsichtig agiert habe, dieses durch die Pandemie gerissene Loch sei nicht mehr zu stopfen gewesen. Hoffnungen auf Laufkundschaft durch die Schaufensterfront in 1a-Lage konnten sich wegen der Pandemie-Bedingungen nicht erfüllen. Ab Herbst möchte Reinecke in einem kleineren Büro weiter machen. „Wir wollen auf jeden Fall unseren Kunden erhalten bleiben“, sagt er.
„Sehr schade“, findet Vermieter Hartmut Höhns den Auszug. Helfen und entlasten könne man als Vermieter, aber auf Dauer müsse sich ein Geschäftskonzept auch selbst tragen. Für ihn verständlich, dass sich Reinecke nach einem kleineren Büro umsehe. Einen Nachmieter für das Lokal in 1a-Lage gibt es noch nicht. „Textil ist dort schon zweimal gescheitert, das scheidet aus.“ 08/15 soll es auch nicht werden. „Kein Handyshop und auch kein Ein-Euro-Shop soll da rein.“ Das Neue soll Gifhorn einen Mehrwert bieten. Einzige Bedingung: „Es muss ein tragfähiges, finanzielles Konzept sein.“ Denn nur aus diesem Grund habe er als Vermieter des Aller-Marktes an der Steinwegpassage dort den Mietvertrag gekündigt – „bei aller Empörung, die ich ein Stück weit nachvollziehen kann“. Seit Herbst habe das Projekt still gestanden, für ihn als Vermieter ein beunruhigendes Zeichen.
Die Nachricht vom nächsten, sich abzeichnenden Ladenleerstand am Ceka-Brunnen – Schuh-Spezialist Galipp schließt, Sport Gigla ist bereits dicht – macht Fritz Becker junior, Geschäftsführer des gleichnamigen Familienunternehmens Modehaus Becker, nachdenklich. Klar, dass sich der Handel, allgemeine Wirtschaftslage und Kaufverhalten so äußern, dass Unternehmen aufgeben, sei „kein reines Gifhorner Problem“. Es sei schon jetzt so, dass Kundschaft aus umliegenden Landkreisen wie Uelzen und Celle in die Mühlenstadt kommen, weil es dort schon weniger attraktiv geworden sei zum Einkaufen. Als Vertreter der Citygemeinschaft würde sich Becker aber auch mehr Hilfe seitens der städtischen Wirtschaftsförderung und der Verwaltung erhoffen.Jüngstes Beispiel: Die Sperrung der Durchfahrt der Hindenburgstraße in Höhe Steinweg. Der Handel machte in den letzten Monaten immer wieder darauf aufmerksam, welche negativen Folgen das auf die Kundenströme haben werde. „Doch da steht wohl die Entscheidung der Stadt fest“, sagt Becker. „Resignation“ mache sich breit. Auch wenn die Citygemeinschaft weiter an den Kundenbefragung arbeite und die Industrie- und Handelskammer mit ins Boot geholt habe, sei die künftige Entwicklung wohl klar. Da schwant ihm Böses: Im Zuge der Durchfahrtssperre komme dann ja noch hinzu, dass die Hindenburgstraße ein dreiviertel Jahr Baustelle werde für den Umbau der Bushaltestelle.Ja, die optische Aufwertung der Fußgängerzone habe durchaus den Steinweg ansehnlicher gemacht. Aber was sei aus den Forderungen des ortsansässigen Handels geworden, die schon Jahre bekannt sind – „etwa das Problem fehlender öffentlicher Toiletten“. Dass die Verwaltung nun Geld in die Hand nehme für die Erstellung eines Einzelhandelskonzepts, klingt für Becker wie Hohn. Inwieweit sich Selbstständige mit Unternehmergeist für die leer stehenden Läden finden lassen, vermag er nicht zu urteilen. „Wir werden hier alles geben und konzentrieren uns auf uns.“
Kritik, die Stadt kümmere sich zu wenig um den heimischen Handel, kennt Martin Ohlendorf, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung, zur Genüge. „Wir können nur die Rahmenbedingungen schaffen“, sagt er. Beim Leerstandsmanagement trete die Wirtschaftsförderung und Stadtmarketing GmbH „WiSta“ als Vermittler auf. Die Zukunft der Innenstädte liege aber auch in der Hand jedes einzelnen Kunden. Wer online shoppe, schwäche eben den Handel vor Ort. Einkaufsstraßen würden sich künftig wandeln. Bestes Beispiel für ihn in Gifhorn: die Umwandlung des ehemaligen Schuh-Outlets in der Mitte des Steinwegs.
Die Außenstelle des Mühlenmuseums zieht – mit Café – in den Steinweg 42, ins ehemalige Fotogeschäfts daneben zieht Giuseppe Marino mit der Trattoria „Pizzeria Da Pippo“. Eigentümer Mark Zierold hat hier in mühevoller Arbeit das alte Gebäudeensemble entsprechend saniert. Solche neuen Nutzungen rund um „Gastro und Erlebnisse“ seien ein Schlüssel, die Innenstadt neu aufzustellen, so Ohlendorf.