„Mein Anliegen, das ich eigentlich seit 1985 als damaliger junger Kreistagsabgeordneter verfolge, ist, dass das verstreute Wissen über die regionale NS-Geschichte, die lokale Nazi-Gewalt, über Opfer wie Täter gebündelt wird, wie es Heinz-Günter Gutmann 1991 in seiner Schrift versucht hat. Diese Broschüre ist inzwischen vergriffen. Das historische Wissen ist aber seitdem gewachsen“, sagt Jörg Prilop.
Prilop, auch Mitglied im Gifhorner Bündnis „Bunt statt Braun“, würde gerne unter anderem eine neue Broschüre auf den Weg bringen – nicht für einen bestimmten Bereich im Kreis Gifhorn wie beispielsweise die Stadt Gifhorn, sondern für den gesamten Kreis. „Viele Menschen sollten etwas erfahren, etwas lernen über das Lager Krümme bei Wesendorf, über Todesmärsche und Räumungstransporte durch den Landkreis, die massenhafte Zwangsarbeit insbesondere im Moor, das Kinderlager Rühen, das Schicksal der vielen Methanoltoten, über die Menschen, die dort überall gelitten haben und starben“, zählt er auf. Die Spitzenwahlergebnisse der NSDAP, Gedenkorte, die Friedhöfe, auf denen Kriegsgefangene sowie Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen beerdigt sind, die Fakten zum 11. April 1945, Infos über NS-Täter, die im Landkreis auch nach 1945 politischen Einfluss hatten – die Liste der möglichen Themen ist lang. „Und eine Mammutaufgabe, aber irgendwann sollte auch der Landkreis damit beginnen“, sagt Prilop.Er könnte sich vorstellen, dass der Landkreis einen Runden Tisch initiiert und ein oder zwei Beauftragte für Erinnerungskultur benennt. Aus dieser Initiative heraus könnten eine neue, umfassendere Broschüre entstehen oder eine Ausstellung. Auch ein einheitliches, dichteres Netz als das bisherige an Erinnerungstafeln könnte so entstehen, hofft er. Die gebündelten Materialien könnten beispielsweise Schulen, der Kreisvolkshochschule, den Museen zur Verfügung gestellt werden. „Toll wäre zudem eine Finanzierung vor allem aus Haushaltsmitteln des Landkreises.“„Die regionale NS-Geschichte im Landkreis Gifhorn ist bereits seit den 1980er-Jahren Gegenstand von Untersuchungen, und seitdem sind auch zahlreiche Veröffentlichungen zu diesem Thema erfolgt. Darüber hinaus ist in den Kreiskalendern eine große Anzahl von Artikeln, Erinnerungen über die NS-Zeit erschienen. Unsere Region ist sehr aktiv bezüglich der Aufarbeitung ihrer NS-Geschichte“, heißt es dazu vom Landkreis. Die Einrichtung eines Runden Tisches oder die Ernennung eines Beauftragten für Erinnerungskultur müsste über ein konkretes Forschungsziel inhaltlich begründet werden. Und: „Die Schaffung von Gedenkräumen und Mahnmalen ist keine Aufgabe der Kreisverwaltung, sondern liegt im Verantwortungsbereich der Gemeinden“, heißt es weiter.Eine Veranstaltung in der Stadt Gifhorn möchte die Fraktion im Stadtrat zum 11. April 2025 initiieren. „Das ist der 80. Jahrestag der Stadt vom Faschismus. Amerikanische Soldaten erreichten an diesem Tag die Stadt über die Lüneburger Straße, schon morgens fuhren US-Panzer über die Ise-Brücke in die Torstraße“, sagt dazu Gruppenvorsitzende Sandra Zecchino. Sie wünscht sich eine öffentliche Veranstaltung, an der alle Gifhornerinnen und Gifhorner teilnehmen können. „Geben sollte es kurze Redebeiträge von Menschen, die die Regionalgeschichte des Aprils 1945 aufgearbeitet haben, kulturelle Anteile könnten verdeutlichen, dass die Befreiung von Gifhorn ein Grund zur Freude ist.“
Veranstalter sollte auf jeden Fall die Stadt sein, aber Interessierte sollten sich einbringen können. „Zusätzlich ist es eine Möglichkeit, die jüngere Generation aktiver an das Thema heranzuführen. Schulen könnten mit Projekten an der Planung und Durchführung beteiligt werden.“ Der Gedenktag könnte die Orte verknüpfen, die damals eine Rolle spielten – der Bahnhof beispielsweise oder das ehemalige Gefängnis im Schlosshof, sagt Sandra Zecchino.
Im Ausschuss für Jugend, Kultur und Soziales der Stadt wurde der Antrag am 6. Juni abgelehnt. Ein später gestellter Änderungsantrag von CDU und SPD zum Thema, der „zum 11. April 2025 sowie zu üblichen Jubiläen angemessene Angebote zur Erinnerungskultur“ fordert, wurde hingegen angenommen. Abschließend muss der Stadtrat noch beraten – beide Anträge stehen für die Sitzung am Montag, 17. Juni, um 16 Uhr im Rathaus auf der Tagesordnung.