„Das hat schon viele Vorteile.“ Die bevorstehende Umstellung auf das iPad wird es dem Humboldt-Gymnasiasten Karl aus Kästorf in vielerlei Hinsicht leichter machen – auch den Ranzen. Der 16-Jährige kann deshalb diese Veränderung im Schulalltag kaum erwarten. Es ist ein Beispiel aus seinem ganz persönlichen Alltag, warum er allgemein optimistisch in die Zukunft schaut. Der Sohn eines Volkswagen-Ingenieurs ist davon überzeugt, dass die Technik dem Menschen das Leben in Zukunft weiter erleichtern und auch drängende Probleme lösen wird. Auch die Künstliche Intelligenz sieht er positiv.
Karl glaubt an den Fortschritt: Die Technik werde für immer mehr Menschen das Arbeiten zuhause ermöglichen, und inzwischen gebe es immer mehr E-Ladesäulen, die die Mobilität mit regenerativen Energien vorantreiben: Das macht dem 16-Jährigen Hoffnung bei einem seiner Sorgenpunkte, dem Klimawandel und Umweltschutz. Den in der Sinus-Jugendstudie erwähnten Gerechtigkeitssinn spiegelt auch Karl wieder: Wenn er mal eine Familie hat, dann soll seine Frau im Berufsleben keine Nachteile haben müssen. Dass Frauen immer noch weniger verdienen, nur weil sie Frauen sind, ist für ihn ein Unding.
Mit Erschrecken beobachtet Karl auch Rassismus-Vorfälle an der Schule. „Es betrifft mich nicht selbst, aber einige Freunde.“ Für Emely aus Wasbüttel und Leni aus Isenbüttel, Schülerinnen an der IGS Gifhorn, ist das Thema Rechtsruck gerade sehr akut und drängt die Sorgen um den Klimawandel etwas in den Hintergrund. „Dass die AfD so viele Stimmen geholt hat, macht mir Sorgen“, sagt Emely über die jüngste Europawahl. Fremdenfeindliches „Ausländer-raus“-Gegröle wie auf den Videos unter anderem aus Sylt bedrücken auch Leni: „Es ist so nah.“ Am Eingang in ihre Schule steht „Wer sich nicht an seine Vergangenheit erinnert, ist dazu verdammt, sie zu wiederholen.“ Das wollen die beiden Schülerinnen auf keinen Fall.
Die aktuellen rechtsradikalen Vorkommnisse bewegen die Schülerinnen und Schüler an der IGS, stellt auch Oberstufenleiterin Lisa König fest – unter anderem in den Politikkursen, die sich regelmäßig unter anderem auch mit der Sinus-Jugendstudie beschäftigen. Dass bei der Juniorwahl die AfD auf den dritten Platz kam, rechnet sie pubertärem Protest zu. Während eine Generation früher SPD und Grüne die Juniorwahl anführten, sei nun die CDU Spitze. Darin sieht sie eine Folge der Opposition zu den Eltern: Wählten früher Kinder von konservativen Eltern das liberale Lager, sei es nun umgekehrt. König erkennt darin eine „Wellenbewegung“.
Die Sinus-Studie macht bei den jungen Leuten eine „Renaissance klassischer Tugenden“ aus. Auch Emely und Leni wollen einen festen Job mit gutem Einkommen und eine eigene Familie. Emely auch „mit einem Hund“. Die beiden IGS-Schülerinnen bestätigen den in der Sinus-Studie erkannten Zweckoptimismus. „Ich glaube einfach an mich“, sagt Emely, warum sie überzeugt ist, ihre Ziele umzusetzen. Leni nimmt dabei auch die Politik in die Pflicht, endlich einen Umschwung zu erwirken.
König sieht den Fachkräftemangel als einen wichtigen Faktor, der jungen Leuten Grund zur Zuversicht gibt. „Sie haben das Gefühl, gebraucht zu werden.“ Und umworben zu werden, etwa in Branchen, wo Arbeitgeber mit dem Bezahlen von iPad und Führerschein locken. Jobsicherheit sei ein wichtiger Faktor – gerade in einer Schule wie der IGS, wo trotz Abi mehr Schüler in eine Ausbildung als in ein Studium streben. Sie könnten sich den Arbeitgeber aussuchen, das sei wenige Jahre zuvor noch anders gewesen.
Hingen ganze Generationen von Kindern und Jugendlichen früher vor dem Fernsehgerät, sind sie heute kaum vom Smartphone zu trennen. Karl entspannt mit unterhaltsamen Videos auf Youtube und Tiktok. Dort schnappe er auch Informationen auf, ohne sie dort zu suchen. Von sich aus nutze er dazu Google. „Da gibt es einige Seiten, die die Nachrichten zusammenfassen.“ Leni und Emely sind viel auf Tiktok und Instagram unterwegs, die Video-Version ihres Messengers heißt Snapchat. Bewusst sei ihnen, dass es oftmals schwierig sei, Fakenews zu erkennen. Die Künstliche Intelligenz, die Leni „an sich positiv“ sieht, könne das noch verschärfen. Emely: „Man fällt da schneller drauf rein, weil man es nicht mehr unterscheiden kann.“