„Verwaltung vermehrt sich ungeschlechtlich.“ Diesen Satz prägte der langjährige Bürgermeister von Schwülper, Uwe-Peter Lestin. Eines seiner letzten Großprojekte, das er kurz vor der Übergabe der Amtsgeschäfte an seine Nachfolgerin Brigitte Brinkmann begleitete, war der vor drei Jahren abgeschlossene Neubau des Verwaltungsgebäudes. Als Lestin 1990 anfing, hatte die Gemeinde Schwülper eine Halbtagsschreibkraft, in den Neubau zogen 2021 sieben Angestellte aus dem viel zu klein geratenen Altbau um.
Von ganz anderen Zahlen berichten Landkreis und Stadt Gifhorn. Der Stellenplan des Landkreises weist für das laufende Jahr insgesamt 887,725 Stellen aus. Zehn Jahre zuvor waren es noch 649. Noch steiler nach oben geht die Kurve der Beschäftigten im Rathaus: 608 städtische Mitarbeitende sind inzwischen auf 503,3 Vollzeitstellen verteilt, 2014 waren es noch 408 auf 333,25 Stellen.
Ob der Landkreis zu den größten Arbeitgebern im Kreisgebiet zählt, vermag seine Sprecherin Anja-Carina Riechert nicht einzuschätzen. „Ein Ranking der Arbeitgeber im Kreisgebiet ist nicht bekannt, sodass hierzu keine Aussagen getroffen werden können.“ Zum Vergleich: Bei der bevorstehenden Schließung des Continental-Werks in Gifhorn, in seinen Glanzzeiten der größte Arbeitgeber im Kreisgebiet, geht es um die Zukunft von heute 900 Beschäftigten.
Die Entwicklung schlägt sich auch nieder in den Personalkosten, für die am Ende der Steuerzahler aufkommt. Beim Landkreis stiegen sie innerhalb von zehn Jahren von 38,69 Millionen Euro auf 64,42 Millionen Euro. Bei der Stadt ging es im selben Zeitraum von 16,1 Millionen auf 30,5 Millionen Euro hoch – fast eine Verdoppelung, auch wegen der Tariferhöhungen der vergangenen Jahre.
Riechert: „In der Regel geht es darum, dass neue Aufgaben geschaffen oder bestehende Aufgaben erweitert worden sind oder deutlich an Komplexität gewonnen haben.“ Stadtsprecherin Annette Siemer nennt Kinderbetreuung, Datenschutz, Energie und Fördermittel als Beispiele für immer mehr Bedarf nach Mitarbeitenden, die sich darum kümmern müssen. Beispiel Wohngeld: Stadt und Landkreis haben allein dafür zusammen ein halbes Dutzend neue Stellen geschaffen, weil es mehr Berechtigte und somit folglich mehr zu bearbeitende Anträge gibt.
Vor allem die AfD fordert in politischen Debatten, die Verwaltungen zu verschlanken, und führt dann gern Gleichstellung und Klimaschutz als Bereiche an, wo aus ihrer Sicht gespart werden könnte. Entsprechende Anträge fallen durch. „Derzeit bestehen keine politischen Vorgaben, Stellen abzubauen“, so Siemer. „Die Personalausstattung der Stadt Gifhorn orientiert sich am Bedarf. Ein Stellenabbau wäre daher nur möglich, wenn seitens der Politik zugleich Aufgaben und damit Leistungen für die Bürgerinnen und Bürger gestrichen würden.“ Auch Riechert sieht aktuell keine konkreten politischen Forderungen nach einem Stellenabbau. „Mit der jeweiligen neuen Stellenplanaufstellung wird die Notwendigkeit der vorhandenen Stellen überprüft.“
Kann Künstliche Intelligenz Personal im Rathaus ersetzen? „Wir setzen uns heute schon kontinuierlich mit den Chancen und Risiken von KI für die Verwaltungsabläufe auseinander“, sagt Siemer. Riechert: „Ob durch den Einsatz von KI in der Zukunft tatsächlich Personal eingespart werden kann, können wir derzeit noch nicht absehen.“
Sachbearbeiter wachsen nicht auf Bäumen, das stellen die Verwaltungen aktuell fest. Dass Stellen unbesetzt bleiben, hat laut Riechert unterschiedliche Gründe – vom Ruhestand über Elternzeit bis zu internen Wechseln. Dauerhafte Vakanzen gebe es im Rathaus nicht, versichert Siemer. „Die Gewinnung von geeignetem Fachpersonal ist in Zeiten des Fachkräftemangels aber generell herausfordernder geworden und nimmt im Einzelfall längere Zeit in Anspruch.“ Grundsätzlich gebe es Probleme bei technischen Berufen und im Erziehungsbereich.
Die Dauer einer Neubesetzung hängt von vielen Faktoren ab. Das reine Verfahren nimmt beiden Sprecherinnen zufolge bis zu zwei Monate Zeit in Anspruch. Wann die neue Stelle konkret besetzt werde, hänge aber auch von individuellen Kündigungsfristen der Bewerberinnen und Bewerber ab. Bis dahin müssten Bürger bei Dienstleistungen Wartezeiten in Kauf nehmen – auch wenn man versuche, Vakanzen aufzufangen. Siemer: „Im Einzelfall sind aber längere Wartezeiten oder kurzzeitige Einschränkungen des Leistungsangebotes nicht ausgeschlossen.“