„Die Seeadler hier kenne ich persönlich.“ Joachim Neumann vom Nabu, der immer wieder Jungtiere beringt und beeindruckende Fotos von ihnen macht, blutet das Herz. „Ich habe zwei Tage lang ein flaues Gefühl gehabt“, sagt der Experte vom Artenschutzzentrum in Leiferde. Sein Team musste den schwer verletzten Jung-Seeadler einschläfern lassen, weil der beim Fällen des Baumes mit seinem Horst zu schwer verletzt wurde. „Es ist einfach niederträchtig. Mich macht wütend, wie skrupellos die Menschen sind.“
„Der Landkreis Gifhorn verurteilt das Fällen des Baumes mit dem Seeadlerhorst und das dadurch verursachte Töten des Seeadlerjungen auf das Schärfste und hofft, dass der oder die dafür verantwortlichen Personen ermittelt und verurteilt werden können“, so Sprecherin Anja-Carina Riechert auf AZ-Nachfrage. Der Landkreis bitte daher mögliche Zeugen, etwaige Beobachtungen an die Polizei oder die untere Naturschutzbehörde des Landkreises zu melden.
Im Fall in Pollhöfen liegt ein Verstoß gegen das Bundesnaturschutzgesetz (Paragraf 44) vor, so Riechert. Das Gesetz sehe für das Verletzen oder gar Töten streng geschützter Tiere – wie eben jenem Wappentier der Bundesrepublik Deutschland – eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder eine Geldstrafe vor. Riechert: „Neben dieser Straftat werden weitere Ordnungswidrigkeiten begangen (das Stören der Tiere, das Entnehmen des Horstes), die im Rahmen der festzusetzenden Strafe mitberücksichtigt werden.“
Noch gebe es keine Hinweise, sagt Polizeisprecher Christoph Nowak. Sowohl Neumann als auch Nabu-Kreisvorsitzender Florian Preusse geben sich keinen falschen Hoffnungen hin. „Bei Umweltkriminalität ist das Problem, dass die Ermittlungserfolge gering sind“, sagt Preusse. Neumann: „Man muss sie schon auf frischer Tat ertappen.“
Wer als Täter infrage käme, darüber wollen im konkreten Fall die beiden Nabu-Männer nicht spekulieren. Doch Fachleute wie sie denken in solchen Fällen sogleich an Windpark-Pläne. Es seien bundesweit immer wieder Adlerhorste angegangen worden, die entsprechenden Planungen im Wege standen. Neumann warnt vor Nachahmung. Der Adlerhorst ist weg, nun ist freie Bahn? „Das ist ein Trugschluss. Es geht um das Revier, und das ist nicht aufgegeben.“ Damit stehe das Gelände weiter unter Schutz.
Laut Polizei müssen Unbekannte im Zeitraum rund um den Monatswechsel von Juni auf Juli den Horstbaum in dem Waldstück bei Pollhöfen gefällt haben. Der Zentrale Kriminaldienst habe die Ermittlungen übernommen. Laut Landkreis Gifhorn ist der Vorfall in Pollhöfen kein Einzelfall. Riechert: „Es gab vereinzelte Fälle der Beseitigung von Horstbäumen in der Vergangenheit.“