Der nun mehrere Jahre andauernde Rechtsstreit dreht sich um eine Abstimmung im Januar 2021 in einer Hochphase der Corona-Pandemie. Es ging unter anderem um typische Hauptversammlungs-Regularien wie Entlastung und Wiederwahl des damaligen Vorstands, aber auch um Haushaltsangelegenheiten. Diese wurden wegen der Beschränkungen nicht in einer Präsenz-Sitzung gefasst, sondern es gab ein schriftliches Umlaufverfahren. Dessen Ablauf war strittig.
Vor dem Amtsgericht in Gifhorn saßen sich Anfang 2022 zwei Vertreter des damaligen Vorstandes mit ihrem Anwalt und zwei klagende Mitglieder mit ihrem Vertreter gegenüber. Der Kern der Vorwürfe: Jenes Umlaufverfahren ist nach Ansicht der Kläger nicht beschlussfähig gewesen. Strittig waren fünf ohne den dazugehörigen Wahlschein zurückgeschickte Stimmzettel und die Enthaltungen bei den Abstimmungen.
Eine Ausnahmeregelung unter Corona-Bedingungen sah vor, dass ein schriftliches Umlaufverfahren an Stelle einer Präsenz-Versammlung möglich ist, wenn die Hälfte der stimmberechtigten Mitglieder an den Abstimmungen teilnimmt. 373 Stimmzettel wären nötig gewesen, um dieses sogenannte Quorum als Voraussetzung für die Gültigkeit des Umlaufverfahrens zu erreichen. Zählen nur jene Stimmzettel mit Wahlschein, wären es nur 370 gewesen. Der Vorstand bekräftigte seinerzeit dagegen, dass er auch die ohne zugehörigen Wahlschein abgegebenen Stimmzettel stimmberechtigten Mitgliedern habe zuordnen können. Die Zivilrichterin in Gifhorn schloss sich dem an und wies die Klage Anfang 2022 ab. Die 1. Zivilkammer des Landgerichts Hildesheim, an die sich die Kläger zwischenzeitlich mit einer Berufung gewandt haben, sieht das nun völlig anders.
Die Stimmabgabe nach dem Umlaufverfahren setze eine Textform voraus, erläutert Landgerichts-Sprecher Jörg Heinemann auf AZ-Nachfrage. Das verlange die Nennung der Person des Erklärenden. Das sei auf jenen umstrittenen Stimmzetteln nicht gegeben gewesen, weil eben jene Wahlscheine gefehlt hätten. „Ohne diese fünf Stimmzettel – so die 1. Zivilkammer – sei das erforderliche Quorum von mindestens der Hälfte der Mitglieder jedoch nicht erreicht worden“, zieht Heinemann das Fazit.
„Das Urteil aus Hildesheim ist ein weiterer wichtiger Schritt, um die Querelen der vergangenen Jahre zu überwinden“, so Horst Weber, einer der beiden Kläger, in einer Presseerklärung an die AZ. Damit sei offiziell juristisch belegt, dass Entscheidungen des alten, bis 2023 amtierenden Vorstands nichtig gewesen seien. Seit mehr als einem Jahr sei nun ein neuer Vorstand im Amt, der in der jüngsten Hauptversammlung im April regulär wiedergewählt worden sei.