Schulschluss an einem sonnigen Nachmittag an der Gebrüder-Grimm-Schule. Der frühe Vogel bekommt einen der wenigen Parkplätze am Rand der Maschstraße. In einem Auto wartet eine Mutter hinterm Steuer. Der Wagen dahinter gehört einem Vater, der auf dem Gehweg vor der Schule dem Schulschluss entgegen harrt. Neben ihm steht ein Mann vom städtischen Ordnungsamt, weithin erkennbar.
Und so rollt eine Frau in einem Auto mit leerem Kindersitz auf der Rückbank an der Schule vorbei, statt anzuhalten. Dieses Bild wiederholt sich im Sekundentakt. Das Ordnungsamt ist nicht nur weithin sichtbar, sondern in einschlägigen WhatsApp-Gruppen dürfte die Nachricht gerade die Runde machen wie die ersten Elterntaxis im Karree. Nur eine Autofahrerin hält an und handelt sich eine Ermahnung ein.
Anwohnerin Erika Hahm, bei der immer wieder Eltern klingeln und nach einer kurzen Parkgelegenheit in ihrer Einfahrt fragen, schüttelt amüsiert den Kopf. „Wir sind damals viel gelaufen“, erinnert sich die 91-Jährige an ihre Schulwege. „Es hat uns nicht geschadet.“ Im Gegenteil: Sie und ihr Mann fahren heute noch Fahrrad – und könnten dies wohl auch deshalb. „Man staunt“, sagt sie zum Autoverkehr zu Schul-Stoßzeiten.
Schulleiterin Dörte Gollin staunt schon lange nicht mehr. Sie ist froh, dass Ordnungsamt und Polizei regelmäßig nach dem Halteverbot schauen. Ansonsten würden viele Eltern direkt vor der Schule halten, was zu einer in der engen Maschstraße unübersichtlichen und gerade für die Kinder gefährlichen Gemengelage führen würde.
Franziska Mende, Leiterin der Albert-Schweitzer-Schule, macht am Bauernkamp die gleichen Erfahrungen. Dort gilt auch ein absolutes Halteverbot, am Calberlaher Damm gibt es vier neue Kurzzeitparkplätze als sogenannte Kiss-and-Ride-Zone (Zone für Abschiedsschmatzer und Abfahrt). Das habe die Situation durchaus verbessert, dennoch kämen immer noch Elterntaxis in die Sackgasse. Einige erhaschen laut Mende einen der wenigen freien Stellplätze, andere nicht. So bleibt es zuweilen bei gefährlichen Situationen.
„Wir schicken jedes Jahr Briefe raus“, sagt Mende. Diese informieren über alternative Parkplätze. Im vorigen Schuljahr habe es noch den sogenannten Laufbus gegeben: Eine Gruppe Schüler ist in Begleitung von Eltern zu Fuß zur Schule gegangen. Ziel: Mit der Zeit könnten die Kinder selbstständig die Strecke gehen. Doch für dieses Schuljahr hätten sich nicht genug Eltern gefunden.
Die Alternativ-Parkzonen der Gebrüder-Grimm-Schule sind Schützenplatz und Flutmulde: aus Sicht von Gollin zumutbare Entfernungen und sichere Routen. An den zu ihrer Zeit selbst bestrittenen Schulweg habe sie beste Erinnerungen: „Das war schön.“
Sich mit den Freundinnen morgens über Erlebtes vom Vortag austauschen, an frischer Luft bewegen, dabei das Gehirn auf Temperatur bringen und eine ordentliche Portion Selbstsicherheit tanken: So etwas würde Gollin ihren Schülerinnen und Schülern gönnen, die mit dem Auto chauffiert werden. Auch Mende ruft Eltern auf, den Kindern mehr zuzutrauen. Beide wissen: Auf ihrem Schulweg sammeln die Kinder wichtige Erfahrungen im Verkehr.