Apotheker und Apothekerinnen aus der Region kritisieren die Pläne des Ministeriums: „Das Ministerium plant mit der Reform einen kompletten Systemwechsel und höhlt das Apothekensystem aus, das sich besonders auch in Krisen bewährt hat“, kritisiert Thorsten Stoye, Inhaber der Aller-Apotheke in Gifhorn „Wir lehnen deshalb den Gesetzesentwurf ab. Das Ministerium zerstört bewusst das Apothekensystem und verschlechtert die Qualität der Gesundheitsversorgung der Bürgerinnen und Bürger.“ Das Ministerium sieht unter anderem eine Umverteilung des Honorars der Apotheken innerhalb des Apothekensystems vor. Stoye: „Unser Honorar ist auf dem Stand von 2004. Im gleichen Zeitraum sind die Kosten stark und die Inflation um 30 Prozent gestiegen. Wir fordern deshalb eine regelmäßige Anpassung des Honorars statt einer Umverteilung.“
Jürgen Lübeck von der St. Petri-Apotheke in Vorsfelde verdeutlicht die finanzielle Lage an einem Rechenbeispiel. „Für jede Packung eines rezeptpflichtigen Medikaments bleiben für die Apotheke zur Abdeckung aller Kosten 6,35 Euro plus das sogenannte Fixum – drei Prozent vom Einkaufspreis des jeweiligen Medikaments. Das Ministerium will das Fixum senken, das ist defacto eine Einkommensstreichung.“ Das würde die Apotheken weiter schwächen. „Probleme lösen die Pläne des Ministeriums nicht, sie schaffen nur neue.“
Dr. Mona Bartsch-Mozafari betreibt im Peiner Stadtteil Vöhrum die Kastanien-Apotheke. Auch sie teilt die Kritik ihrer Kollegen und Kolleginnen. „Hinter dem Gesetzesentwurf steht der Gedanke, Apotheken auf dem Land zu stärken. Die Annahme ist, dass diese weniger teure Medikamente verkaufen als Stadt-Apotheken. Aber das stimmt nicht. Mit dieser Reform bekommen Land-Apotheken nicht mehr Vergütung“, sagt sie. Zudem gehe es für Apotheker und Apothekerinnen nicht um mehr Gewinn – sondern in vielen Fällen nur noch um die Existenz. Aber: Der Gesetzesentwurf sollte eigentlich inzwischen im Bundeskabinett beraten werden, die Beratung wurde jedoch verschoben. „Vielleicht ist das ein gutes Zeichen, dass unser Protest wirkt“, hofft Dr. Bartsch-Mozafari.
Auch die Pläne für die stärkere personelle Besetzung der Apotheken mit pharmazeutisch-technischen Assistentinnen und Assistenten werden kritisiert: „Leistungen wie die Abgabe von Schmerzmitteln, Erkennen von Einnahmeproblemen, Medikationsanalysen, die Herstellung von Arzneimitteln oder Impfungen dürfen nur Apothekerinnen und Apotheker durchführen. Vor allem der Nacht- und Notdienst könnte ganz wegfallen. Durch den Nacht- und Notdienst entlasten die Apotheken aber auch die anderen systemrelevanten Institutionen, die Arztpraxen und Krankenhäuser.“ Jürgen Lübeck ergänzt: „Fachkräftemangel herrscht nicht nur bei Apothekern, sondern auch bei pharmazeutisch-technischen Assistentinnen und Assistenten. Wo sollen die herkommen?“ Mit dieser Regelung würden zudem Arbeitsplätze angestellter Apotheker gefährdet. „Das wird den Fachkräftemangel verstärken, denn wer wird dann noch diesen Beruf ergreifen wollen, wenn unsicher ist, ob man überhaupt einen Arbeitsplatz findet?“
Stoye fasst zusammen: „Die Wertschätzung unserer Leistungen während der Pandemie scheint vergessen. Anders können die Ideen nicht verstanden werden. Das Ministerium sollte anstatt dieser Pläne das Potenzial der Vor-Ort-Apotheken nutzen, um das Gesundheitswesen für die Zukunft zu stärken. Nur dann kann das Versprechen von Bundeskanzler Olaf Scholz, Leistungskürzungen im Gesundheitswesen zu verhindern, eingehalten werden.“
Fachkräftemangel, Konkurrenz durch den Versandhandel, Lieferengpässe bei Medikamenten, steigende Kosten und eine hohe Inflation: Viele Apotheker und Apothekerinnen sehen die Existenz ihrer Unternehmen gefährdet. Aktuell werden zahlreiche Apotheken geschlossen, im vergangenen Jahr waren es laut Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände 559 nur 62 wurden neu eröffnet. 2008 hatte es noch rund 21.600 Apotheken bundesweit gegeben, Ende 2023 waren es nur noch rund 17.500.