Müssen es Trickbetrüger bald nicht mehr dem Zufall überlassen, dass Opfer auf ein Schluchzen im Hintergrund reinfallen? Wer einen Videokanal auf den bekannten Kanälen betreibe, liefere damit theoretisch auch gleich ein Sprachprofil, so Hoppe. Eine KI könne daraus den Tätern die Stimme liefern, die den Opfern eine eingetippte Nachricht vorspricht. Das würde die perfide Geschichte authentisch klingen lassen. Nach dem Abheben hört das Opfer die vermeintlich echte Stimme von Sohn oder Tochter, nach dem vorbereiteten Satz, von der KI gesprochen, übernimmt ein falscher Polizist das weitere Gespräch.
Dass so etwas im Revier der Gifhorner Ermittler noch nicht bekannt geworden ist, hat laut Ahne Gründe: Zum Beispiel die laut Experten immer noch schwierige Interaktion, also die Unterhaltung des Opfers mit der KI und ihrer synthetischen Sprache, aber auch den Aufwand, den die Täter betreiben müssten, um an das passende Sprachprofil zu kommen.
Bei der Festnahme einer Verdächtigen habe man vor einiger Zeit nicht nur ein dickes Telefonbuch mit markierten Anschlüssen sichergestellt, sondern auch festgestellt, dass die Beschuldigte an jenem Tag sage und schreibe 400 Anrufe getätigt hatte. Die Täter müssen Ahne zufolge also zahlreiche Angeln auswerfen, um wenigstens einen Fisch am Haken zu haben. Mehr als drei Millionen Euro Schaden in Niedersachsen im Jahr 2023, ein Jahr zuvor waren es mehr als fünf Millionen Euro: „Wenn man auf diese Summe kommen will, muss man viele Anrufe tätigen“, sagt Ahne.
Und dann noch KI einsetzen, für die jeweils herausgesuchten Opfer die passenden Sprachprofile der echten Angehörigen aus Social-Media-Kanälen heraussuchen oder per sogenannter Malware ausspionieren lassen? Bisher fallen ja auch so offenbar genug Leute auf die Tricks rein. Denn die Täter seien sehr geschickt darin, schon mit den ersten Fragen oder Andeutungen wichtige Informationen zu entlocken, um glaubhaft zu wirken. Hinzu kommt der Aufbau von Druck, damit die Opfer keinen klaren Kopf mehr zum Nachdenken haben – schon fallen diese drauf rein.
Doch Ahne will nicht ausschließen, dass Künstliche Intelligenz das künftig durchaus noch deutlich vereinfachen kann. Die Entwicklung gehe rasend schnell. In einem anderen Bereich könnte sie schon bald erfolgreicher und gängiger sein, sagt Hoppe. Er meint den Online-Betrug.
Online-Betrüger arbeiten laut Hoppe mit diversen „Zulieferern“ zusammen. Jemand ruft beim Opfer an, ein anderer baut die Fake-Website, und noch einer kümmert sich um die Geldwäsche. Doch die Website mit allem Pipapo könne künftig auch eine KI blitzschnell generieren. Und möglicherweise noch einen Prominenten als Werbefigur dazu packen. Fertig ist der vermeintlich seriöse und vom Schauspieler oder der Sängerin des Vertrauens beworbene Fake-Shop.
Doch KI ist keine Einbahnstraße mit freier Fahrt für Schurken. „Es ist echt ein gutes Werkzeug“, sagt Hoppe. In einem Pilotprojekt des Landes setzen die Kollegen in Salzgitter für die gesamte Polizeidirektion Braunschweig KI bei Ermittlungen im Kinderpornografie-Bereich ein. Diese sortiere zahllose Bild- und Videodateien vor und liefere den Ermittlern die relevanten daraus. Am Ende gucke immer noch ein Beamter drauf, sagt Hoppe, aber die KI erleichtere die Arbeit.
Und das ist genau das, was sich der Kriminaloberkommissar aus der Forensik davon erhofft. Beispiel internationale Ermittlungen oder Recherchen mit Texten und Daten in Fremdsprachen: „KI macht es mir dann einfacher, wenn ich sie das übersetzen lasse.“ KI könne also alltägliche Prozesse bei Ermittlung, Analyse oder Auswertung erleichtern und somit beschleunigen.