Das wichtigste Utensil bei einer Bahnfahrt zum Wandern im Harz ist ein gutes Buch. Denn vorausgesetzt, alles klappt mit dem Erixx, ist der Reisende von Gifhorn aus eine gewisse Zeit lang unterwegs. Vorausgesetzt, dass alles reibungslos klappt. Das ist aber nicht immer der Fall, vor allem, wenn Bauarbeiten auf der maroden Strecke der Deutschen Bahn laufen.
Der Erixx kommt an diesem Tag tatsächlich überpünktlich um 9.16 Uhr am Bahnhof Gifhorn Stadt an. Er erreicht auch seinen baustellenbedingten Endbahnhof Gifhorn (Süd) pünktlich. Nur nicht zu früh freuen: Wo ist der Schienenersatzbus nach Braunschweig? Um 9.27 Uhr kommt ein Bus angefahren. Fahrgäste steigen aus und streben zum Erixx nach Bad Bodenteich. Aber es steigt niemand ein. „Ich habe Pause“, sagt der Busfahrer. Sein Bus sei der 10.26er nach Braunschweig. Der 9.26er komme gleich.
Kommt er aber nicht. Auch die Erixx-Homepage weiß es nicht besser. Auf der stand eben noch, dass alles pünktlich läuft. Frustriert setzt sich ein Fahrgast aus Hamburg auf den Rand eines Blumenkübels und nutzt die Wartezeit, um seiner Freundin in Salzgitter am Telefon ausgiebig zu erklären, warum er später kommt. Um 5.33 Uhr war er in Hamburg losgefahren, hat in Uelzen schon den Anschlusszug wegen einer Verspätung um drei Minuten verpasst – und nun das. „Das ist zum Fremdschämen“, schimpft der Mann und erzählt, gehört zu haben, dass Lokführer in Japan schon bei acht Sekunden Verspätung eine Abmahnung bekämen. Aha.
Der 10.26-Uhr-Bus fährt pünktlich los, er stand ja auch fast eine Stunde parat, und die Regionalbahn 43 nach Goslar wird erreicht. Jetzt zahlt es sich aus, dass sie stets fast eine halbe Stunde zwischen Ankunft aus Gifhorn und Abfahrt in den Harz am Bahnsteig 1 steht. Bis Langelsheim, dem heutigen Startpunkt der Wanderung, dauert die Anfahrt inklusive drei Umstiegen brutto dreieinhalb Stunden.
Schienenersatzverkehr gab es in diesem Jahr schon häufiger, nicht nur in Gifhorn, sondern auch zwischen Vienenburg und Goslar. Der hat aber reibungslos geklappt.
Ausfälle gab es dagegen auch, nicht für alle trägt Erixx die Verantwortung: Eine Rückfahrt bedurfte einer spontanen Umplanung, weil wegen eines Unfalls mit einem von der B4 auf einen Feldweg abbiegenden Auto die Strecke blockiert war. Die alternative Fahrt mit Enno über Wolfsburg lief eine halbe Stunde später als nach Plan, weil der nächste Zug laut Durchsage wegen Personalmangels ausfiel. Aber wenigstens gibt es beim Regionalexpress RE50 einen Halbstundentakt. An einem Sonntag musste vorsichtshalber doch das Auto herhalten, weil laut Erixx-Homepage eine Fahrt nach Braunschweig ausfiel.
Regulär wären Bad Harzburg und Goslar mit den Erixx-Regionalbahnen von Gifhorn Stadt aus nach knapp zwei Stunden erreicht. Mit dem Auto wäre der Gifhorner in etwa einer Stunde in Bad Harzburg. Nun sind das nur Freizeitfahrten. Für Pendler, die auf den Zug angewiesen sind, sind Unzuverlässigkeiten und Einschränkungen schon relevanter. In der Verbandsversammlung des für den Nahverkehr zuständigen Regionalverbands Braunschweig ist man sich der Probleme auf der Strecke zwischen Uelzen, Gifhorn und Braunschweig bewusst.Michael Kramer von der CDU kann den Ärger nachvollziehen. „Es ist ärgerlich und nicht im Sinne aller, die sich seit Jahren für eine ordentliche Bedienung des Nahverkehrs einsetzen.“ Er räumt ein, dass die Erfahrungen der AZ kein Einzelfall sind. Die Probleme seien komplex. Auf der einen Seite gebe es eben die nötigen Bauarbeiten auf der maroden Strecke. Auf der anderen kämen Personalmangel und Auflagen zum Beispiel für Pausenzeiten hinzu.
Niemand dürfe sich Illusionen hingeben: Beim Nahverkehr müsse man gerade bei solchen Verbindungen wie in den Harz mit entsprechenden Fahrzeiten leben, sagt Detlef Tanke (SPD), Vorsitzender der Verbandsversammlung. Wenn dann noch Baustellen und Personalmangel hinzu kommen, sei das in der Tat ärgerlich. Doch was muss, das muss: Die Strecke sei in einem schlechten Zustand. Aber: „Die Streckensperrung jetzt führt dazu, dass wir eine bessere Infrastruktur kriegen und die Verbindungen stabiler werden.“ Tanke räumt ein, dass es häufig am Personalmangel liege. Doch da seien dem Regionalverband weitgehend die Hände gebunden. Viel mehr als die Tarifbindung in den Ausschreibungen mit aufzunehmen, bleibe nicht. Den Beruf des Lokführers oder Busfahrers attraktiver zu machen, liege nicht allein am Regionalverband.
Bei allen Bemühungen: Das Auto lockt, denn es ist flexibler, schneller und zuverlässiger. So manche Wanderung wird wieder an einem Parkplatz starten.