Die relativ saubere Farbe an der Fassade täuscht nicht über den Zustand des Hauses an der Braunschweiger Straße hinweg. Einige Fenster sind eingeschlagen. Die Pizzeria ist längst umgezogen. Am Fuß des Bauzauns vor dem nördlich anschließenden Grundstück sammelt sich Unrat. Eine Anwohnerin aus der Innenstadt beklagt im Gespräch mit der AZ diesen Zustand gerade an der stark befahrenen Braunschweiger Straße, dem Eingangstor zur Innenstadt. Was für ein trostloser Anblick das doch sei. Zumal es nicht der einzige „Schandfleck“ sei.
Tatsächlich, nur wenige Straßenzüge weiter an der Limbergstraße rahmen gleich zwei leerstehende Wohnhäuser den vor wenigen Jahren neu gebauten Rewe-Markt. Auch hier prägen Spanplatten vor Fenstern die Bilder. Im zugewucherten Vorgarten liegt Müll. Das Haus südlich vom Rewe wirkt zwar verlassen, aber zumindest deutlich gepflegter.
Fast leer, wenn auch ebenfalls in ungepflegtem Zustand: An prominenter Stelle am Calberlaher Damm fällt den Gifhornern eine Ladenzeile auf. Und das seit vielen Jahren. Die Bäckerei hält noch die Stellung. Wer auf dem Alten Postweg bis zur Limbergstraße unterwegs ist, fährt auch dort auf ein augenscheinlich leer stehendes Haus zu - zu erkennen an Spanplatten an den Fenstern. Auch an anderen Stellen der Stadt sind Leerstände offensichtlich.
Die Stadt hat in diesem Jahr ihr aufwändig erstelltes Integriertes Stadtentwicklungskonzept verabschiedet. Mit gezielten Maßnahmen wollen Politik und Verwaltung Gifhorn voranbringen. Sechs Projekte, unter anderem der klimagerechte Umbau der Fußgängerzone, mit einem Investitionsvolumen von rund 20 Millionen Euro stehen im Raum. Auf der anderen Seite verwahrlosen hier und dort Gebäude. Bürgermeister Matthias Nerlich sind diese Stellen bekannt. Doch: „Uns sind die Hände gebunden.“ Denn die Stadt könne nicht einfach so in privates Eigentum eingreifen. Nerlich: „Solange keine Gefahr für Sicherheit und Ordnung davon ausgeht, können wir niemanden zwingen.“ Zum Beispiel dazu, in den Erhalt eines Gebäudes zu investieren. Angebote machen könne die Stadt dagegen schon, wenn auch in begrenztem Maße. „Wir können im Innenstadt-Bereich Zuschüsse für Fassaden denkmalgeschützter Häuser geben“, sagt Nerlich. Bei Städtebauprojekten würden auch private Projekte gefördert, nicht nur öffentliche. Kann die Stadt eine Immobilie vor einer Verwahrlosung retten, indem sie diese kauft? In der Vergangenheit hat das schon geklappt. Nerlich nennt das Stichwort Nicolaihof. „Wenn wir es nicht gekauft hätten, wären da heute kein Supermarkt und keine Boxmühle mehr.“
Aber: „Irgendwann sind die finanziellen Mittel am Ende“, dämpft Nerlich Hoffnungen, dass die Stadt noch mehr Grundstücke in Eigenregie entwickeln könnte. „Ohne die Eigentümer geht es nicht“, macht der Bürgermeister klar. Eigentum verpflichtet eben.