Raclette-Grill rausgekramt, abgestaubt, angeschaltet, Blei gegossen und buntes Feuwerwerk am Nachthimmel – das Silvsterfest ist von alljährlichen Traditionen und Ritualen gezeichnet. Auch in der hiesigen Region setzen die Menschen beim Jahreswechsel darauf.
Dass wir jedes Silvester das Fondue- oder Raclettegerät aus dem Schrank holen und stundenlang Käse brutzeln, liegt daran, dass der Trand in den 1960er-Jahren aus der französischsprachigen Schweiz nach Deutschland rüberschwappte. Der Ski-Tourismus hatte sich in dieser Zeit gewandelt. In den 1960ern machte sich eine Sehnsucht nach Urigkeit und Originalität breit. Statt in teure Hotels fuhr man ins Chalet und auf die Hütte – Fondue inklusive. Das Fondue wurde also quasi aus dem Skiurlaub importiert. Bis heute sind Raclette und Fondue ebenso beliebte wie interaktive Speise-Varianten: „Reich mir mal den Käse, gib mir mal die Kartoffeln“ - ohne Interaktion kein Essen.
Der Berliner ist vielerorts fester Bestandteil: Wann er gereicht wird, ist unterschiedlich – zum Nachtisch nach dem Mahl, zum Sekt um Mitternacht oder am Neujahrsmorgen. Es gibt diverse Überlieferungen, warum Berliner zum Jahreswechsel dazugehören. Eine ist, dass wir uns mit jeder Menge Süßspeisen für die kommende Fastenzeit wappnen. Die anderen, dass die bösen Geister davon naschen und besänftigt werden können.
Mehr lustiger Programmpunkt, um die Zeit bis Mitternacht zu vertreiben, als ernstzunehmendes Zukunfts-Orakel ist das Bleigießen. Je nachdem, welches Symbol gegossen wurde, wird interpretiert und analysiert, was es bedeutet und so vorausgesagt, was einem im kommenden Jahr bevorsteht. Den handelsüblichen Silvesterblei-Packungen werden Bedeutungslisten beigegeben, die Interpretationen vorgeben (zum Beispiel Herz = sich verlieben; Blumen = neue Freundschaft). Bis 2018 gab es die Sets zum Bleigießen in jedem Supermarkt, aber durch einen EU-Beschluss wurde das verboten. Schließlich ist Blei ein Schwermetall. Die Aufnahme von Blei in den menschlichen Körper kann zu langfristigen Gesundheitsschäden führen. Im Handel sind seitdem als Ersatz Zinngieß-Sets erhältlich, die ähnlich ausgestattet sind wie Bleigieß-Sets, aber Rohlinge aus Zinn verwenden.
Nicht nur das Bleigießen, sondern auch das sogenannte Zwiebelorakel, das in manchen Teilen des Schwarzwalds noch praktiziert wird, kann einem die Zukunft vorhersagen. Man schneidet zunächst eine Zwiebel in zwei Hälften und träufelt Salz auf die entblößte Oberfläche, stellt es dann in eine Schale und wartet bis zum nächsten Morgen. Je mehr Wasser in der Schale, desto feuchter und regnerischer soll das neue Jahr werden – eine Wettervorhersage ohne meteorologische Gewähr.
Ein weiterer Klassiker, der an Silvester nicht fehlen darf: der Glückskeks, eine knusprige, süße Kekswaffel aus Mehl, Zucker, Vanille und Sesamöl mit einem Stück Papier im Innern, einem „Glückswort“, einem Aphorismus oder einer vagen Prophezeiung. Es macht wahnsinnig viel Spaß, gemeinsam die Kekse zu öffnen und zusammen zu überlegen, welche Bedeutung der (manchmal etwas kryptische) Text im Inneren wohl haben kann. Alternativ kann man die Kekse auch selbst backen und sie mit persönlichen oder lustigen Sprüchen füllen.
50 g Butter
3 Eiweiß
60 g Puderzucker
60 g Mehl
1 Prise Salz
Zubereitung:
Butter in einem Topf zergehen lassen. Abkühlen lassen. Eiweiße steif schaumig aufschlagen. Puderzucker zur Butter sieben und gut verrühren. Mehl und Salz ebenfalls hinein sieben und verrühren. Eischnee unterheben. Auf einem Backpapier etwa 8cm große Kreise aufmalen. Backpapier umdrehen und auf ein Blech legen. Ofen auf 180 Grad (Umluft: 160 Grad) vorheizen.
Jeweils einen Teelöffel Teig auf einen Kreis geben und bis zu den Rändern glatt streichen. Immer nur 3 Teigkreise auf einmal backen, da man den Teig sehr schnell falten muss, bevor er reißt. Botschaften für Glückskekse vorbereiten und bereitlegen.
Teigkreise circa fünf Minuten im Ofen backen (sie müssen nicht gebräunt sein). Herausnehmen und mit einem Palettenmesser oder normalem Messer sofort vom Backpapier lösen. Botschaft auf den Keks legen, diesen einmal in der Mitte falten. Dann direkt nochmal in der Mitte falten. Die Mitte etwas zusammendrücken. Die beiden anderen Kekse ebenfalls auf diese Weise falten. Mit dem restlichen Teig genau so fortfahren.
Sind alle Kekse fertig gebacken und gefaltet, alle Kekse nochmal auf das Blech legen und im vorgeheizten Ofen weitere 5 Minuten backen, bis alle Kekse bräunliche Ränder haben. Kekse auf einem Gitter vollständig auskühlen lassen.
Ein Brauch, den man gerade in kleineren Dörfern noch finden kann, besagt, dass man in der Neujahrsnacht keine Wäsche waschen soll, um die bösen Geister nicht zu verärgern. In den so genannten Raunächten – das sind die zwölf Tage nach dem 25. Dezember – sind die Gesetze von Leben und Tod angeblich aufgehoben und die Geister bewegen sich frei umher. Auch aufhängen soll man die weiße Wäsche nicht, da sich die Geister beim Umherirren darin verfangen können. Sie werden dann zornig und rächen sich vielleicht.
Böse Geister, die ausgetrieben werden sollen, können sich an den Leinentüchern festhalten und verfolgen den Besitzer dann im nächsten Jahr. Ebenso kann die Wäsche im Haus von den Reitern der sogenannten „wilden Jagd“ – dem Geisterheer des Göttervaters Wotan – gestohlen werden und findet dann als Leichentuch Verwendung. Die Interpretation ist vielseitig, allerdings haben alle Überlieferungen etwas mit Geistern und Tod zu tun.
Auch das allseits beliebte Silvesterfeuerwerk lässt sich im entfernten Sinne auf die Geister zurückführen. Während man im Mittelalter mit Kochtöpfen, Rasseln und Rätschen durch die Straße zog – ab etwa dem 10. Jahrhundert dann auch durch das Läuten der Kirchturmglocken –, um mit lautem Getöse die bösen Geister zu vertreiben, macht man das heute mit Böllern, Knallern und vielen bunten Farben. Je lauter und leuchtender, desto besser!
„The same procedure as last year, Miss Sophie?“ Das Dinner an Silvester ist für alle und doch nur für einen, denn auch das „Dinner for One“ ist aus vielen Wohnzimmern zu Silvester nicht wegzudenken. Auch wenn der Sketch eigentlich gar nicht für den 31. Dezember, sondern mehr als Pausenfüller gedacht war, wird er seit 1972 zu jedem Jahreswechsel gezeigt. Inzwischen braucht es sogar keine Englisch-Kenntnisse mehr, denn man kann sich den Klassiker in jeder Mundart anschauen.