Auch das wollten die Forschenden wissen: Hat sich das Verhalten durch Corona verändert. Ja, hat es. „Ein beachtlicher Anteil“ habe angegeben, in der Zeit nach der Pandemie seltener in die Innenstadt zu kommen.
„Als Gründe werden hierbei vor allem die Verschlechterung des Angebotes und die gesunkene Attraktivität genannt, aber auch der verstärkte Kauf im Internet sowie zu kurze oder ungünstige Öffnungszeiten“, heißt es.
72 Prozent gaben an, die Innenstadt zum Einkaufen und für gastronomische Angebote aufzusuchen. 67 Prozent der Jugendlichen kommen zum Aufenthalt und Bummel, wobei aber auch der Einkauf eine große Rolle spiele. In dieser Zielgruppe jedoch auffällig: Der Gastrobesuch habe eine eher untergeordnete Rolle, „was darauf hindeuten kann, dass das vorhandene Angebot weniger attraktiv für Jüngere ist“.
Die über 61-Jähringen würden die Innenstadt überdurchschnittlich häufig für Einkäufe aufsuchen, was zeigt, dass die Innenstadt für viele Seniorinnen und Senioren ein wichtiger Einkaufsort sei. In jener Altersgruppe spielt der Faktor Wochenmarkt-Besuch eine große Rolle.
Die unter 20-Jährigen vermissen insbesondere Treffpunkte und Angebote für Jugendliche, Begrünung oder Freizeitaktivitäten wie Bowling. Über 61-Jährige wünschten sich dagegen vermehrt Angebote mit Außengastronomie aber auch Angebote wie ein Repair-Café.
Die Abfrage weiterer Faktoren ergab ein Plus für die Erreichbarkeit mit Auto und Fahrrad. Die Aufenthaltsqualität bewerten nur 23 Prozent der Befragten als gut und nur ein Prozent als sehr gut. Am schlechtesten fiel die Bewertung der Vielfalt des Einzelhandels- und Gastronomieangebots aus. Das Einzelhandelsangebot wurde nur zu 14 Prozent mit sehr gut oder gut bewertet, das Gastronomieangebot zu 19 Prozent. Ob die zum Zeitpunkt der Umfrage bekannt gewordenen Geschäftsschließungen sich negativ auf die Beurteilung ausgewirkt haben, sei durchaus möglich, merken die Gutachter an.
Kritik am Gastronomie-Angebot bezog sich laut Gutachten auf mangelnde Individualität und To-Go-Angebote. Auffällig: Eisdielen wurden besonders positiv bewertet, Kneipen und Bars hingegen mehrheitlich als negativ.
Hier schlagen die Experten die Entwicklung eines Gastronomiekonzeptes vor. Workshops mit Gastronomen, mehr Ausrichtung auf Zielgruppen. Eine Attraktivitätssteigerung der Außengastronomie könne die gesamte Innenstadt aufwerten.
Weiterer Vorschlag der Experten: Pop-up Möglichkeiten. Damit könnten sich angehende Gastronomen zunächst ausprobieren, ehe sie eine eigene stationäre Gastronomie eröffnen. Am Thema Innenstadt, Gastronomie und Erlebnisraum arbeite man mit Hochdruck, sagt Martin Ohlendorf, Geschäftsführer der städtischen Wirtschaftsförderung. Neue Gastro-Konzepte wie im bald öffnenden Mühlenladen im Steinweg seien bereits auf dem Weg. „Wir sind in einem Prozess, der Früchte trägt.“
Auch die Stärken der schon bestehenden Gastronomie werde man gemeinsam besser herausstellen. Das Nebeneinander von Gastronomie und Handel in der Innenstadt werde sich gegenseitig befruchten, ist Ohlendorf überzeugt.
Insgesamt gebe das Gutachten einen guten Anhaltspunkt über den Ist-Zustand, der jedoch aus dem Untersuchungszeitraum in 2024 stamme. Dass Ende des Jahres doch noch die Nachfolge für das Schuhhaus Galipp geglückt sei, geschah nach der Bestandsaufnahme. „Das zeigt aber auch, welche positive Bewegung in Gifhorn eingesetzt hat“, sagt Ohlendorf.
Für potenzielle Neuansiedlungen habe das Gutachten Sogwirkung. Die Gutachter konstatieren Gifhorn gute Strukturdaten. Demnach gebe es auch künftig eine steigende Einwohnerzahl. Und: Zwar sei im Vergleich zum Jahr 2010 die Zahl der Betriebe von 131 auf 91 gesunken, die Verkaufsfläche sei hingegen gestiegen - der Umsatz entsprechend gestiegen. Auch bei der Kaufkraft liege Gifhorn über dem Bundesschnitt.
Was die Nahversorgung betrifft, fällt das Fazit in dem Gutachten durchweg positiv aus: „Insgesamt ist die quantitative und qualitative Nahversorgungssituation im Bereich Nahrungs- und Genussmittel in Gifhorn als sehr positiv zu bewerten“, heißt es dort. Auch im Segment Drogeriewaren liege die Mühlenstadt über dem Schnitt.
Entwicklungspotenziale sehen die Gutachter besonders in den Bereichen Pflanzen und Gartenbedarf, Baumarktsortiment sowie in dem Bereich Sportartikel, Fahrräder und Camping. Insgesamt stehe aber fest, „dass die Stadt den zugewiesenen mittelzentralen Versorgungsauftrag weitgehend erfüllt“. Und für die Zukunft stellen die Gutachter abschließend eine gute Prognose: „Auch wenn es aktuell und in den vergangenen Jahren vermehrt zu Leerständen und Geschäftsaufgaben kam, kann sich die Innenstadt durch ihre Multifunktionalität und städtebaulichen Entwicklungschancen profilieren.“