Denn: Front auf ganzer Linie gegen die neue Bauleitplanung möchten sie gar nicht machen. Auf privaten, größeren Grundstücken neue Wohngebäude errichten zu dürfen, sei durchaus für manche sinnvoll. Aber die BI fürchtet wilde Ausmaße, die Schillmann und Nico Bogner aus dem Wittkopsviertel beim AZ-Gespräch plastisch machen: Sie halten einen etwa 11 Meter langen Stock an ein Wohnhaus. „Diese Höhe wäre künftig möglich. Und das hier in unserem Viertel. Das geht doch gar nicht.“ Die Wohnhäuser in der seit den 1960er Jahren gewachsenen Siedlung sind nach aktuell geltenden Baurecht rund 8,5 Meter hoch. Dass die Stadt hier nicht einlenke und ein maximales Limit klar definiere, sorge für Frust.
Worum es geht: Wie im Wiitkopsviertel auch muss der Bebauungsplan in Gamsen - dort unter dem Titel „Ahnwende III“ mit den Straßen Lönsweg, Jahnweg und Ahnenwende - zunächst geändert werden, um Neubauten auf Privatgrundstücken zu ermöglichen.
In der Begründung definierte die Verwaltung auch, dass moderne Neubauten mit Flachdächern in älteren Wohnsiedlungen wie Fremdkörper wirken würden. Ziel sei es, „erdrückende“ Neubauten zu verhindern. „Klingt ja super“, sagt Schillmann sarkastisch. Er lebt seit rund 35 Jahren in einem Wohnhaus an der Ahnenwende. Aber seine Erfahrung als langjähriger Dezernent für Umwelt und Bauen in Wolfenbüttel ließen bei ihm die Alarmglocken schrillen. Sollte die aktuell vorliegende Änderung des Bebauungsplanes in Kraft treten, würden Neubauten mit Ausmaßen erlaubt sein, die dem formulierten Ziel komplett widersprechen würden.
Es seien zukünftig zwei Vollgeschosse erlaubt und keine Geschossflächenzahl mehr vorgesehen, die die Wohnfläche begrenzen würde. Daher könne sich die Wohnfläche mehr als verdreifachen, erklärt Schillmann. „Darüber hinaus soll eine maximale Gebäudehöhe von 11 m freigegeben werden - unsere Siedlungshäuser sind circa 8,5 Meter hoch - auch Flachdächer und Dachterrassen werden ausdrücklich erlaubt.“ Um allen sichtbar zu machen, wie das aussehen könnte, hat Schillmann ein Foto eines Komplexes parat, das jenen Maßen entspricht, die nach seinen Berechnungen künftig im Gamsener Viertel realisierbar wären. „Eine Katastophe. Dieses Ausmaß scheint vielen gar nicht klar zu sein.“ Dass Ortsrat Gamsen und Planungsausschuss das Vorhaben schon positiv beschieden haben, macht Schillmann ziemlich sauer. Neubauten mit maximal zwei Wohnungen auf Privatgrundstücken - „das würde wir ja befürworten, aber doch keine Wohnklötze mit 11 Metern Höhe.“
Bogner appelliert an die Stadt: „Wenn man solche Zielfe definiert, Wohnsiedlungen erhalten zu wollen, dann muss man auch Taten folgen lassen.“ Im Wittkopsviertel herrsche trotz aller Unterschriftensammlungen und Protesten in Ausschüssen Angst, dass Investoren auf ihre Chancen lauern, um alle erlaubten Ausmaße von Neubauten auszunutzen. „Es sind sogar schon Investoren rumgelaufen und haben bei Älteren geklingelt und sich nach Grundstücken erkundigt“, sagt Bogner. Dabei sei das Ansinnen des Wohnviertels doch nur, kleine, innerfamiliäre Baulösungen auf dem Grundstück erlaubt zu bekommen. Denn eines ist der Bürgerinitiative auch klar: Werden die Bauverordnungen rechtskräftig, „dann ist nichts mehr zu machen“.
Jetzt sei es allerhöchste Zeit, auf die Gefahren hinzuweisen, etwa Stellungnahmen zu den öffentlich ausgelegten Plänen abzugeben. Würden drei- bis viergeschossige Gebäude bald möglich, würde es sicher Investoren geben, die das auch nutzen. Dann sei aber auch nicht dran zu rütteln. Auf Vernunft von Bauherren, die einfach auf Profit seien, brauche man nicht zu setzen. „Das ist wie bei einer vierspurigen Straße, auf der Tempo 120 gilt und man davon ausgeht, dass sich alle an Tempo 50 halten“, so Schillmann.
Ansprechpartner der Bürgerinitiative ist Claus-Jürgen Schillmann, Kontakt 0151-61084231 oder per Mail cg.schillmann@gmx.de. Er und seine Mitstreitenden hoffen auch, dass möglichst viele aus dem Viertel der Einladung des Fachbereichs Stadtentwicklung folgen und am 28. April um 19 Uhr ins Dorfgemeinschaftshaus in Gamsen kommen.