Bass erstaunt war der 48-Jährige, der mit Frau und Sohn in Gifhorn eine Doppelhaushälfte zur Miete bewohnt, als er auf dem Konto die Abbuchung in Höhe von 274 Euro entdeckte. Zufällig, denn die postalische Zahlungsmitteilung blieb bei der Vermieterin hängen. Niepel buchte den Betrag zurück, weil das Konto überzogen wurde und „keiner die Zinsen dafür zahlen würde“. Bei einem Telefonat mit der ASG seien ihm Hacker-Angriff, Softwareprobleme und seitens des Versorgers nicht übermittelte Zählerstände als Gründe für die Einmal-Forderung genannt worden.
„Kurios“ findet es Niepel, dass die Kunden der ASG von all dem nicht vorher in Kenntnis gesetzt wurden, aber gleichzeitig verbindlich erwartet würde, dass dieselben Kunden prüfen, ob der Abschlag wirklich eingezogen wird. Und eine Begleichung der Gesamtforderung in Raten sei seitens der ASG - vermeintlich aufgrund der Rückbuchung - abgelehnt worden. Indes hätte eine Ratenzahlung später mit Stadtkasse, die für die ASG den Zahlungsverkehr abwickelt, „ohne Probleme“ vereinbart werden können. Dennoch sei „die Art und Weise“ wie mit Kunden, Bürgern, Verbrauchern umgegangen werde „nicht in Ordnung“.
„Aufgrund eines Cyberangriffes im Sommer 2022 kam es zu erheblichen Arbeitsrückständen bei der Gebührenabrechnung für das Jahr 2022, die bis heute nachwirken“, heißt es von der ASG auf Nachfrage. So seien in einigen Fällen für 2024 keine Vorauszahlungsfestsetzung vorgenommen worden, sodass „die Verbrauchsmenge in einer Summe ohne Berücksichtigung bereits geleisteter Zahlungen fällig wurde“. 132 Abrechnungen aus 2023 seien noch „ungeklärt und daher offen“.
Rückwirkende Abrechnung sei bis zu vier Jahre möglich, die Gebührenbescheide für 2023 und 2024 seien daher „rechtskonform“. Auf Antrag sei Ratenzahlung möglich: „Im vorliegenden Fall hat der Kunde jedoch keinen Antrag gestellt. Stattdessen wollte er seine Einzugsermächtigung widerrufen.“ Für 2025 seien Vorauszahlungen festgelegt worden. Diese würden „grundsätzlich erhoben – sowohl im Interesse der Bürger als auch der Verwaltung“, verhindere es doch, dass die „für die Bürger in Vorleistung treten muss“.
In bestimmten Fällen könne eine zeitnahe Abrechnung nicht erfolgen: etwa bei fehlenden Zählerständen, ungeklärten Eigentumsverhältnissen, Mieterwechseln oder fehlenden Daten. „Dann steht es dem Kunden frei, die Vorauszahlungen einzufordern oder den Betrag bis zur endgültigen Abrechnung zurückzulegen. In jedem Fall wird die erbrachte Leistung der Abwasserreinigung korrekt abgerechnet“, so die ASG.
„Obwohl technische Probleme auftreten können, wäre es angemessen gewesen, die betroffenen Schuldner frühzeitig über solche Schwierigkeiten zu informieren“, erklärt auf Anfrage Dietmar Wall vom Deutschen Mieterbund zur rechtlichen Einordnung. Eine „proaktive Kommunikation“ hätte es den Mietern ermöglicht, sich auf die Situation einzustellen und finanzielle Engpässe zu vermeiden. Auch die verspätete Weiterleitung der Zahlungsmitteilung stelle ein Kommunikationsproblem dar: „Gegebenenfalls hat sich die Vermieterin schadensersatzpflichtig gemacht und muss zum Beispiel anteilige Mahngebühren übernehmen.“
Und: „Normalerweise sind Geldschulden Bringschulden. Der Schuldner - hier die Mieter - verpflichtet ist, die Zahlung aktiv zu leisten.“ Allerdings werde bei einem erteilten Lastschriftmandat die Zahlungspflicht durch eine „Holschuld“ ersetzt: „Der Gläubiger - hier der ASG - ist verantwortlich für die Einziehung des geschuldeten Betrags.“ Eine Verpflichtung der Mieter zur Kontrolle des Einzugs besteht nach Dafürhalten von Wall nicht, „da sie sich auf das erteilte Lastschriftmandat verlassen durften“.
Da die fehlende Abbuchung auf ein Problem des ASG zurückzuführen ist, wäre es laut Dietmar Wall auf jeden Fall angemessen, dem Mieter eine Ratenzahlung oder Kulanzregelung anzubieten. Gegebenenfalls seien die Grundsätze von „Treu und Glauben“ anzuwenden, die im §242 des Bürgerlichen Gesetzbuches verankert sind. Dieser Paragraf legt fest, dass alle vertraglichen Pflichten in einer Art und Weise zu erfüllen sind, die sich „an den Maßstäben von Ehrlichkeit, Vertrauen und Fairness orientiert“.
Falls der Mieter durch plötzliche Abbuchung in finanzielle Schwierigkeiten gerate, könnte man argumentieren, dass dies durch das Verschulden des ASG oder auch der Vermieterin verursacht wurde.