Sexuelle Belästigung, Bedrohung –
und auch Drogenhandel?
Prozess gegen 26-jährigen Gifhorner wird abgebrochen: Neue Vorwürfe erfordern weitere Ermittlungen

Der Bahnhof Gifhorn-Stadt: Hier soll die Tat passiert sein.Foto: Sebastian Preuß/Archiv
Gifho. rn Eigentlich wurde dem 26-jährige Gifhorner sexuelle Belästigung und Bedrohung vorgeworfen - bei der Verhandlung am Amtsgericht Gifhorn kamen jedoch noch weitere Delikte zur Sprache. Der Prozess wurde schließlich abgebrochen, der Richter ordnete weitere Ermittlungen an, inklusive einer sofortigen Hausdurchsuchung.

Sowohl der Angeklagte als auch das Opfer sowie zwei Zeugen schilderten die Vorfälle, die sich am 10. September 2024 am Bahnhof Gifhorn-Stadt ereignet haben sollen aus ihrer Sichtweise. Nach Aussage des Opfers, einer 18-Jährigen, habe sich die Gruppe aus losen Bekannten am Bahnhof aufgehalten und habe herumgealbert. So sei sie auf eine Bank geklettert und habe gerufen „ich bin größer als ihr“.

Der bis dahin sitzende Angeklagte sei aufgestanden und habe ihr fest an die Brust gefasst. Die 18-Jährige habe ihn zurückgewiesen, er habe jedoch mehrfach versucht, sie zu küssen, habe sie beleidigt und bedroht. Er sei bereits wegen Vergewaltigung im Gefängnis gewesen und wolle auch sie vergewaltigen und sie „an die Mafia verkaufen“. Die 18-Jährige erwirkte eine einstweilige Verfügung gegen den 26-Jährigen, gegen die dieser jedoch mehrfach verstoßen habe.

Der Angeklagte, der tatsächlich bereits eine Haftstrafe verbüßen musste, bestritt die Behauptungen. Er sei zu der Gruppe dazugestoßen, über die ausgestreckten Beine eines Kumpels gestolpert und habe sich lediglich an der 18-Jährigen festgehalten. Bedroht oder belästigt habe er sie zu keinem Zeitpunkt. Von der einstweiligen Verfügung, die die 18-Jährige gegen den 26-Jährigen erwirkt hatte, habe dieser nichts gewusst.

Sein 16-jähriger Kumpel, über den der Angeklagte gestolpert sein sollte, sagte ebenfalls als Zeuge aus. Er schilderte, wie es zum Stolpern kam - er habe mit ausgestreckten Beinen „wie ein Heiopei“ dagesessen, der 26-Jährige sei über sein Bein gestolpert. Jedoch habe er nicht genau mitbekommen, wie der Angeklagte sich abgestützt habe. Auch die Folgen habe er nicht mitbekommen, da er mit einer anderen Person weggegangen sei. Als er nach einer guten Viertelstunde wiedergekommen sei, habe er die 18-Jährige weinend vorgefunden. „In meinem Beisein hat er sie weder begrapscht noch beleidigt“, so der 16-Jährige.

Der Staatsanwalt warf ein, dass er die Aussage des Zeugen für unglaubwürdig halte: „Sie wissen schon, dass sie für eine Falschaussage vor Gericht mit einer Freiheitsstrafe rechnen können?“ Der Zeuge hielt an seiner Aussage fest, an viele Details könne er sich nicht erinnern.

Die 18-Jährige sei sich 100-prozentig sicher, dass der 16-Jährige seine Beine angewinkelt und nicht ausgestreckt gehabt habe, der Angeklagte sei nicht gefallen. Außerdem merkte sie an, dass der 26-Jährige mehrfach Drogen verkauft habe - auch an Minderjährige.

Diese Aussage wurde von einer weiteren Zeugin, einer 19-Jährigen untermauert - auch wenn sowohl sie als auch die 18-Jährige sich schwertaten, konkrete Daten und Personen zu nennen. Erst mehrfache Nachfragen des Richters lieferten teils vage Ergebnisse. An viele Sachverhalte könne sich die 19-Jährige nicht erinnern. Sie betonte jedoch, dass dem Angeklagten vor Ort keine Gelegenheit eingeräumt worden sei, seine Version des Vorfalls zu schildern oder sein Verhalten zu erklären. Jedoch schilderte die 19-Jährige auch, dass der Angeklagte am Vortag des Prozesses Amphetamine in ihrer Wohnung habe lagern wollen. Sie alarmierte die Polizei, es wurde ein Glasgefäß mit neun einzeln verpackten Konsumeinheiten sichergestellt.

An dieser Stelle brach der Richter die Verhandlung ab. „Das wird hier gerad zu viel, das kann ich nicht einfach vom Tisch wischen. Es muss weiter ermittelt und diesen Vorwürfen nachgegangen werden.“ Er ordnete auf Anregung des Staatsanwalts eine sofortige Hausdurchsuchung an. Der Angeklagte musste sein Handy sichtbar auf dem Tisch des Staatsanwalts lassen und durfte den Gerichtssaal nicht verlassen. Lediglich ein Gespräch mit seinem Anwalt im Hinterzimmer wurde ihm bewilligt.

Eine junge Frau aus dem Zuschauerbereich meldete sich zu Wort: Sie könne ebenfalls bestätigen, dass der Angeklagte Drogen an Minderjährige verkauft habe: Marihuana, Ecstasy und das Narkosemittel Ketamin. Sie nannte bereitwillig Namen und Daten.

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