Temperaturen auf Rekordniveau
Weltwetterorganisation: „Ein gefährliches Maß an Erderhitzung erreicht“

Die WMO erwartet, dass die weltweiten Durchschnittstemperaturen in den kommenden fünf Jahren auf oder nahe dem bisherigen Rekordniveau bleiben werden.Symbolfoto: Ketut Subiyanto / Pexels

„Schockierende Statistiken“ seien das, meint Adam Scaife. Er ist beim britischen Wetterdienst, dem Met Office, für monatliche bis dekadische Vorhersagen zuständig – und war auch an dem neuen Bericht der Weltwetterorganisation WMO beteiligt: dem „Global Annual to Decadal Climate Update“. Jährlich gibt die Organisation den Bericht raus, um über langfristige Klimatrends aufzuklären. Dieses Jahr mit eben jenen schockierenden Prognosen.

So erwartet die WMO, dass die weltweiten Durchschnittstemperaturen in den kommenden fünf Jahren auf oder nahe dem bisherigen Rekordniveau bleiben werden. Die Wahrscheinlichkeit, dass mindestens eines der kommenden fünf Jahre das Jahr 2024 als das bisher wärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen übertreffen wird, liege bei rund 80 Prozent. Zudem gebe es eine 86-prozentige Wahrscheinlichkeit, dass mindestens eines der kommenden fünf Jahre um mehr als 1,5 Grad Celsius über dem Durchschnitt von 1850 bis 1900 liegen wird.

„Diese neuen Vorhersagen deuten darauf hin, dass wir sehr nah dran sind, dass 1,5-Grad-Jahre alltäglich werden“, sagte Scaife am Dienstag bei einer Pressekonferenz des britischen Science Media Centers. „Wir hatten 2024 schon eines, aber die Häufigkeit nimmt zu.“ Der „European State of the Climate 2024“-Report der WMO hatte zuletzt gezeigt, dass 2024 das erste Kalenderjahr war, das mehr als 1,5 Grad Celsius über der vorindustriellen Ära lag.

Es könnte sogar noch heißer werden: Erstmals taucht in den Modellrechnungen der WMO das Risiko eines 2-Grad-Jahres auf. Dass schon in den kommenden fünf Jahren die 2-Grad-Marke geknackt wird, sei aber „äußerst unwahrscheinlich“, so Scaife. Die Wahrscheinlichkeit dafür liege aktuell bei 1 Prozent. Dennoch: „Bis vor wenigen Jahren war das praktisch noch unmöglich“, machte der Forscher deutlich. „Jetzt ist es im Bereich des Möglichen.“

Die Temperaturentwicklung bedeutet zwar nicht, dass das 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens passé ist. Denn das Klimaziel bezieht sich auf die globale Durchschnittstemperatur im Vergleich zum vorindustriellen Niveau (1850 bis 1900) über einen Zeitraum von mindestens 20 Jahren. Aber je mehr die Temperaturen steigen, desto unwahrscheinlicher wird es, das Ziel einzuhalten.

Ein Ort, der sich weiterhin besonders stark und schnell erwärmt, ist die Arktis. Die durchschnittliche Temperaturabweichung dort werde in den kommenden fünf Wintern (November bis März) voraussichtlich 2,4 Grad Celsius betragen – verglichen mit dem Durchschnitt der Jahre 1991 bis 2020. Sie ist mehr als dreieinhalbmal so groß wie die Abweichung der globalen Durchschnittstemperatur.

Folglich wird das Meereis noch stärker schmelzen. Das hat einerseits Einfluss auf den Meeresspiegel, der weiter steigen werde. Küstenstädte und Inseln könnten häufiger überschwemmt werden. Zudem würde ein wichtiger Lebensraum für arktische Tierarten verloren gehen. Andererseits führt die Eisschmelze dazu, dass sich die Erde weiter erwärmt. Denn die Ozeane reflektieren weniger Sonnenlicht als das Meereis.

Auch bei den Niederschlägen zeichnen sich alarmierende Trends ab. Während es in der afrikanischen Sahelzone, in Nordeuropa, Alaska, Südasien und Sibirien in den Sommermonaten (Mai bis September) überdurchschnittlich feucht werden könnte, droht das Amazonasgebiet auszutrocknen. Schon im vergangenen Jahr hatte das Amazonasgebiet eine Rekorddürre mit verheerenden Waldbränden erlebt. Nach Angaben des WWF hatte es allein im brasilianischen Teil des Amazonas zwischen dem 1. Januar und 30. November 2024 insgesamt rund 135.000 Mal gebrannt – so viel wie seit 2007 nicht mehr.

„Wir haben bereits ein gefährliches Maß an Erderhitzung erreicht“, sagte die Klimaforscherin und Co-Leiterin der World Weather Attribution, Friederike Otto, die nicht an dem WMO-Bericht beteiligt gewesen ist. „Mit jedem Bruchteil eines Grads zusätzlicher Erwärmung, sei es 1,4, 1,5 oder 1,7 Grad, werden wir gefährlichere Extremwetterereignisse erleben als je zuvor.“ Für sie ist der Weg aus der Katastrophe klar: Die Treibhausgasemissionen müssen reduziert werden. „Im Jahr 2025 weiterhin auf Öl, Gas und Kohle zu setzen, ist absoluter Wahnsinn.“

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