Sein Vorgänger Sawall ist zwölf Jahre lang in der 28 Glieder zählenden Gemeinde, die 2026 100-jähriges Bestehen feiert, tätig gewesen. „Wir konnten seine Anstellung seit einiger Zeit finanziell nicht mehr komplett gewährleisten“, nennt Gemeindeleiter Christian Ortmüller einen Grund für den Weggang. Ein anderer sei der Wunsch gewesen, noch einmal etwas Neues anzugehen, um „Betriebsblindheit“ zu vermeiden: „Da kam die Stelle in Altenau für ihn genau zur richtigen Zeit“ - Sawall ist jetzt Hausleiter im EC-Tagungscenter in Altenau/Harz.
Die Zeit der Vakanz überbrückte die Gemeinde unter anderem mit einer „bunten Mischung an Gottesdienstformen, die ohne Prediger auskommen” sowie einer Verlängerung der Sommerpause. In dieser Zeit wurden die Menschen ermuntert, woanders Gottesdienste zu besuchen, um von dort „neue Ideen und Anregungen mitzubringen“. Mit dem Gedanken, einen „dualen Studenten“ anzustellen, habe die Gemeinde schon seit einiger Zeit gespielt und sich bei unterschiedlichen Ausbildungsstellen als sogenannte „Praxisgemeinde“ beworben: „Wir wollten bewusst einen jungen Menschen haben, der auch gut mit Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen arbeitet“, berichtet Ortmüller. 2024 sei die Bewerbung zu spät erfolgt, sodass es nicht mehr klappte. „Dass sich dann Anfang diesen Jahres direkt etwas ergab, ist für uns kein kleines Wunder, sondern sogar ein großes. Auf 50 Praxisstellen kamen nur sechs Studenten.“
„Ich habe mir die Landeskirchliche Gemeinschaft in Tiddische ausgesucht“, erklärt Telle. Er habe deren Bewerbung als Praxispartner auf der Hochschulseite gesehen, zunächst vernachlässigt, aber bei näherem Hinsehen - die Bewerbung enthielt Predigten, Gemeindebriefe und ein Video - immer mehr Gefallen an ihr gefunden und sie schließlich angeschrieben. Ansonsten wäre ihm ein Partner zugewiesen worden. Dass Tiddische eine eher kleine Gemeinde ist, spiele für ihn keine Rolle: „Wichtig ist, welche Menschen dort singen.“
Telle, der in Trier aufgewachsen ist und dort lebt, war mittlerweile schon in der norddeutschen Tiefebene und wurde „offen und herzlich aufgenommen“ worden. Das habe ihn in seinem Glauben bestärkt, die richtige Entscheidung zu treffen. Zum tieferen Glauben im religiösen Sinne kam Telle, als er ein Jahr lang mit gesundheitlichen Problemen kämpfte - und dabei feststellte, dass Glaube und Gott ihm dabei „am meisten Kraft und Hoffnung gegeben hat“. Woraufhin der Entschluss reifte, sich „ganz in den Dienst“ dieser Dualität zu stellen.
Auf der Suche nach einer Möglichkeit, dies umzusetzen, stieß Telle, der von sich selbst sagt, er sei „Halbfranzose“, auf den neuen dualen theologischen Studiengang. Der sagt ihm durchaus mehr zu, als die bisherigen „rein akademischen“. Auch wenn der Theorieteil, der überwiegend online stattfindet, immer noch Dinge wie Altgriechisch enthält. Wichtig sei auch gewesen, dass das im Übrigen überkonfessionelle Studium auch von allen evangelischen Landeskirchen anerkannt wird.
Der künftige Hirte in Tiddische war ehedem selbständig im Bereich Coaching tätig und hat eine Physiotherapie-Ausbildung: „Es ist eine ehrenvolle Aufgabe, Menschen zu helfen und zu unterstützen.“ Körper, Seele und Geist hingen „elementar zusammen“, hat Fabrice Telle für sich erkannt. Er kommt mit seiner Partnerin Debbie Bileau nach Tiddische. Beide renovieren dort gerade ihre künftige Bleibe. Neben der Arbeit in der Gemeinde hat sich Telle im Studium für den Schwerpunkt Krankenhausseelsorge entschieden.
In der Kirchengemeinde geht es zumindest in der Theorie darum, diese „von innen heraus zu verändern, die Probleme der Zeit anzugehen“ und gemeinsam Semesterprojekte mit derartigen Inhalten umzusetzen. Das duale Bachelor-Studium dauert vier Jahre und macht einen Diakon in der evangelischen Kirche aus Fabrice Telle. Der weiß aber schon jetzt, dass er weitermachen und den im Anschluss möglichen Master-Studiengang angehen will. Ziel dabei sei es, Theologe und Pastor zu werden.
Der künftige Student sagt, dass er „Familie und Freunde” in Trier vermissen wird, freut sich aber gleichzeitig sehr auf die neue Herausforderung, auf Land und Leute. Ebenso wie der Kirchenvorstand an seinem künftigen Ausbildungsplatz: „Wir erwarten, dass mit der Zeit etwas Neues aufbrechen wird, neue und kreative Ideen kommen, die uns selbst nicht einfallen“, sagt Ortmüller. „Und dass Dinge hinterfragt und neu bewertet werden können.“