Risiko Radfahren
Ältere Menschen sind häufig in teilweise tödliche Radunfälle verwickelt – Experte gibt Tipps für mehr Sicherheit

Nicht nur körperliche Einschränkungen, sondern auch eine mangelhafte Infrastruktur führt zu Fahrradunfällen.Symbolfoto: Muhammed Hanefi / Pexels

Ein Moment der Unachtsamkeit, ein toter Winkel, ein Sturz, ein abgelenkter Autofahrer: Im vergangenen Jahr sind laut Statistischem Bundesamt 441 Radfahrerinnen und Radfahrer im Straßenverkehr ums Leben gekommen. Vor allem ältere Menschen sind unter den Unfallopfern, obwohl vor allem Jüngere mit dem Rad unterwegs sind.

Robert Kob, der an der Universität Erlangen-Nürnberg zum Thema sicheres Fahrradfahren im Alter forscht, hat einige Gründe dafür ausgemacht, warum Seniorinnen und Senioren so oft auf dem Fahrrad verunglücken. „Fakt ist, dass die Zahl der älteren Menschen steigt und dass sie heute viel aktiver sind als frühere Generationen“, gibt er zu bedenken. „Das Radfahren gehört dabei zu den beliebtesten Freizeitbeschäftigungen. Somit erhöht sich rein statistisch die Anzahl der Seniorinnen und Senioren, die an Fahrradunfällen beteiligt sein können.“

Erschwerend hinzukommt der Alterungsprozess: „Die Reaktionsgeschwindigkeit nimmt ab, die Muskelmasse schwindet, nicht selten ist auch das Sehvermögen eingeschränkt“, sagt Kob. „Es kann eher mal zu einem Sturz kommen. Der wiederum kann zu größeren Verletzungen führen als bei Jüngeren – zum Beispiel zu einer gebrochenen Hüfte.“

Auch das Umsteigen auf das E-Bike sei ein Grund für die vergleichsweise hohen Todeszahlen älterer Radfahrerinnen und Radfahrer. „Damit soll die nachlassende Muskelkraft ausgeglichen werden“, weiß der Wissenschaftler. „Wer aber mit hohem Tempo unterwegs ist und dazu vielleicht auch noch das System nicht gut beherrscht, verliert schnell die Kontrolle.“

Trotz allem spricht sich Kob gegen einen verpflichtenden Radfahrtest für Seniorinnen und Senioren aus: „Ältere vom Straßenverkehr auszuschließen – das könnte altersdiskriminierend sein. Schließlich müssten sie auch keinen speziellen Test fürs Autofahren ablegen, obwohl sie mit einem Pkw für andere viel gefährlicher wären.“

Kob hat stattdessen hilfreiche Tipps, wie sich das Unfallrisiko verringern lässt:

■ Nicht zu schwer: Beim E-Bike ist es wichtig, auf das Gewicht des Fahrrads zu achten. Zudem sollte die Batterie möglichst weit unten angebracht sein – am besten im Rahmen, damit der Schwerpunkt tief liegt und man nicht so schnell umkippt.

■ Bequemes Modell: Ein tiefer Einstieg hilft beim Auf- und Absteigen. Viele Unfälle passieren, weil ältere Männer Probleme mit der Längsstange am Herrenrad haben und dann beim Absteigen hinfallen.

■ Hilfsmittel nutzen: Sie können das Orientieren erleichtern. Wer steif im Nacken ist oder Gleichgewichtsprobleme hat, kann beispielsweise Seitenspiegel nutzen.

■ Angemessenes Tempo: E-Biker sollten nicht die maximale Geschwindigkeit ausreizen. Dabei geht es auch darum, ein Gefühl zu entwickeln, wann ich noch auf Verkehrssituationen angemessen reagieren kann.

■ Verhalten anpassen: Auch entsprechende Strategien können helfen. Wer unsicher ist beim Linksabbiegen, sollte absteigen und sein Rad als Fußgänger über die Straße schieben. Zudem ist es ratsam, Hauptverkehrszeiten zu meiden und verkehrsberuhigte Wege zu nutzen.

■ Training und Kontrolle: Der Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC) und der ADAC bieten vielerorts spezielle Fahrradkurse für Seniorinnen und Senioren an. Dort gibt es häufig auch die Gelegenheit, Sattelhöhe und Bremsen kontrollieren zu lassen.

Immer wieder in der Diskussion ist auch das Thema Helmpflicht für Radfahrende. In Deutschland besteht dafür keine gesetzliche Pflicht. Bei einem Unfall tragen Radfahrerinnen und Radfahrer ohne Schutzhelm daher kein Mitverschulden an einer Kopfverletzung. Trotzdem empfiehlt der ADFC Kindern, älteren Menschen und besonders ambitionierten Radfahrerinnen und Radfahrern, einen Helm zu tragen. Die Entscheidung für oder gegen einen Kopfschutz sollte jedoch auf freiwilliger Basis erfolgen.

Zur Begründung heißt es: „Radfahren ist keine Risikosportart, sondern gesunde Bewegung im Alltag. Hausputz und Gartenarbeit sind statistisch gesehen deutlich riskantere Tätigkeiten – und hier käme niemand auf die Idee, Schutzmaßnahmen gesetzlich vorzuschreiben.“

Auch der ADFC will nicht die älteren Radfahrerinnen und Radfahrer für die Unfallzahlen verantwortlich machen. ADFC-Verkehrsreferentin Vanessa Rösner verweist auf die schlechte Infrastruktur. „Vielerorts ist der Radverkehr nicht ausreichend vom Autoverkehr getrennt“, sagt sie. „Das beeinträchtigt das Sicherheitsgefühl und erhöht die Unfallgefahr.“

Auch der Zustand vieler Radwege sei häufig mangelhaft: „Laub oder Schnee auf der Fahrbahn, Schäden durch Wurzelaufbrüche – das alles kann zu Stürzen führen“, so Rösner. „Auch sind die Radwege oft viel zu schmal, zugeparkt oder fehlen – beispielsweise an Landstraßen – völlig.“

Der ADFC fordert deshalb, das Radwegenetz flächendeckend auszubauen und bestehende Radwege regelmäßig instand zu halten.

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