Auch im Internet ist der Künstler präsent: „Der Hashtag Mondrian hat auf der sozialen Plattform TikTok 34,6 Millionen Aufrufe“, machte Dr. Andreas Beitin, Leiter des Kunstmuseums bei einem Rundgang am Tag vor der Eröffnung deutlich. Simpel und unverblümt muten Mondrians Kompositionen aus eckigen Flächen und Linien an. Dennoch schaffte er es zu einem der bedeutendsten Künstler des 20. Jahrhunderts, wirkte in Amsterdam, Paris, London und zuletzt in New York, wo er 1944 im Alter von 71 Jahren verstarb.
Das Kunstmuseum zeigt einige von Mondrians Werken und zahlreiche künstlerische Abstraktionen der ,Neuen Gestaltung‘, wie er selbst seinen Ansatz nannte. „Seine eingängigen Kompositionen dieser Schaffensphase, die Kombination aus schwarzen Linien und den Primärfarben Rot, Gelb und Blau, haben die Kunstwelt nichts weniger als revolutioniert“, sagte Beitin in einer Pressemitteilung. Er kuratierte die Ausstellung gemeinsam mit Elena Engelbrechter, wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Kunstmuseum.
Wie kann man diesem universellen Einfluss mit einer Ausstellung gerecht werden? „Die inhaltliche Verzahnung haben wir in vier Quadranten aufgeteilt“, sagt sie. Die vier Abschnitte zeigen die Rezeption von Mondrian in der Alltagskultur, künstlerische Abstraktionen aus Mondrians und den nachfolgenden Generationen, Zitate durch andere Künstler und Mondrian-Einflüsse auf der materiellen Ebene.
Mondrian eroberte auch die Modeindustrie und schaffte es bis in die Luxusware. So finden sich im ersten Abschnitt zum Beispiel auch die „Mondrian Boots“ von Sylvie Fleury. „Das erste Kapitel der Ausstellung befasst sich mit der Rezeption in der Alltagskultur und der Populärkunst sowie Massentauglichkeit von Mondrians Werken und zeigt zum Beispiel die Mondrian-Kleider von Yves Saint-Laurent“, beschreibt Engelbrechter.
Sein künstlerisches Umfeld ließ sich vom völlig neuen Stil des Niederländers schnell anstecken. Der zweite Abschnitt zeigt die Ergebnisse, vielfach aus Mondrians Zeit in Paris und New York. Zum Beispiel „Untitled“ von Lee Krasner, mit dem Mondrian seine Vorliebe für Jazz teilte. „Mit ihm ging Mondrian noch im hohen Alter von 70 Jahren in Jazzclubs, aber wenn die Musik zu melodisch wurde, hörte Mondrian auf zu tanzen – denn Melodien gehörten für ihn zu den figurativen Einflüssen, die er in seiner Kunst ablehnte“, erzählt Beitin dazu. Mondrians Kunst zu dieser Zeit war streng zweidimensional – ohne räumliche Illusion oder Einflüsse aus dem menschlichen Leben.
Doch Mondrian hatte nicht nur Fans unter den Künstlern: „Mondrian-Zitate und das Zitieren als Strategie“, wie es Engelbrechter beschreibt, belegen das im dritten Abschnitt der Ausstellung – wie zum Beispiel Alfred Hrdlickas Gemälde „Das allerneueste Testament.“ Die Flächen zwischen den Mondrian-typischen Linien füllt Hrdlicka mit apokalyptischen und dystopischen Darstellungen „um Mondrians ikonischen, aber lebensfremden Stil knallhart mit der Realität zu konfrontieren“, erklärt Beitin. Aber auch unkritische, überraschende Ideen anderer Künstler zeigt das Kunstmuseum.
Der vierte Abschnitt beschäftigt sich laut Engelbrechter mit der „materiellen Ebene“ der Mondrian-Kunst. Mondrians Werke werden teilweise für hunderttausende Euro gehandelt. Dass er das für fragwürdig hält, machte der Künstler Ivan Argote der Welt 2008 deutlich, als er zwei Mondrian-Bilder im Pariser Centre Pompidou mit Graffiti besprühte. Ergebnis: Der zwölfsekündige Videoclip Retouche, der die Aktion dokumentiert und in der Wolfsburger Ausstellung in Dauerschleife läuft. „Heute ist Argote selbst Teil dieses Systems“, merkt Beitin an.
Ausgehend von Werken seiner wichtigsten Schaffensphase bietet die Ausstellung anhand von rund 150 Kunstwerken und Objekten einen Einblick in die facettenreiche Auseinandersetzung mit dem neoplastischen Hauptwerk Piet Mondrians. Die Ausstellung läuft noch bis zum 16. Juli und ist dienstags bis sonntags von 11 bis 18 Uhr geöffnet. Der Eintritt kostet 12 Euro pro Person, ermäßigt 10 Euro. Schüler und Studierende bezahlen fünf Euro, für Kinder bis sechs Jahre ist der Eintritt kostenlos.