Hintergrund: Ein Hauseigentümer aus Diepholz war von der dortigen Stadtverwaltung aufgefordert worden, den Kies aus seinem 50 Quadratmeter großen Beet, in dem sich nur vereinzelte Pflanzen befanden, zu entfernen. Er hatte daraufhin vor dem Verwaltungsgericht Hannover dagegen geklagt und verloren. Gegen das Urteil legte er Berufung ein. Das Oberverwaltungsgericht lehnte den Antrag im Januar jedoch ab. Das Gericht begründete das Urteil damit, dass es sich bei einem Kiesbeet mit nur vereinzelten Pflanzen nicht um eine Grünfläche entsprechend der Niedersächsischen Bauordnung handelt (Az.: 4 A 1791/21).
Damit ist jetzt die rechtliche Grundlage vorhanden, dass Kommunen die Beseitigung von Schottergärten anordnen dürfen. Das wird auch Folgen für Grundstückseigentümer in Wolfsburg haben. Wer mehr Steine als Grün auf seinem unbebauten Grundstück hat, der könnte demnächst Post von der Stadtverwaltung bekommen. Der Versiegelungsgrad aller Wolfsburger Wohngebiete wird jetzt nach und nach von der Stadt kontrolliert, unabhängig davon, ob es sich um Neubaugebiete oder ältere Wohnquartiere handelt. Darauf wies jetzt das Wolfsburger Agenda 21 Forum, das zur Stadtverwaltung gehört, hin.
Die Wolfsburger Naturschutzverbände und das Agenda 21-Forum „Erhaltung der biologischen Vielfalt“ weisen schon seit vielen Jahren auf die negativen Auswirkungen von Schottergärten hin. „Deswegen wollen wir auch präventiv tätig werden und Menschen, die gerade ein Haus bauen, vorab informieren, dass sie nicht zu viel Fläche auf ihrem Grundstück versiegeln sollten“, so Michael Kühn, der als Wolfsburger Nabu-Vorsitzender im Agenda 21 Forum mitarbeitet.
Zuviel Steine im „Garten“ hätten eine Menge Nachteile, wie Kühn weiter ausführt. „Solche Schottergärten haben Auswirkungen auf das gesamte Wohngebiet. Das Kleinklima wird negativ verändert, das spürt man besonders im Sommer, wenn es dann sehr heiß wird.“ Versiegelte Flächen heizen sich in der Sonne viel stärker auf und geben die Wärme bis in die Nacht ab. „Und was machen die Menschen in so einem Wohngebiet? Sie kaufen eine Klimaanlage, was die Kohlendioxid-Bilanz zusätzlich verschlechtert“, so der Naturschutzexperte.
Wenn sich hingegen um die Häuser in einer Wohnsiedlung Grünstrukturen wie Sträucher, Büsche, Wiesen und auch ein Teich befinden, sei es im Sommer viel kühler. „Wir müssen uns an den Klimawandel anpassen und jeder muss seinen Beitrag leisten“, erläutert Kühn. Doch nicht nur bei Hitze, auch bei Regen sind versiegelte Flächen problematisch: Bei Starkregen sind die Häuser auf einem Berg zwar geschützt, die unteren Gebäude bekommen dann das Wasser ab, weil der Niederschlag nirgends versickern kann. Bei Wolkenbrüchen sei jede unversiegelte Fläche wichtig.
Der nächste Punkt ist die Artenvielfalt. Auch sie leide, wenn es zu wenig grüne Flächen gibt. „Was sollen ein Singvogel oder ein Igel in einem Schottergarten? Sie können nur flüchten, dort gibt es nichts zu fressen“, führt Michael Kühn aus. „Wenn wir gegen die Natur arbeiten, dann kann das nichts werden. Der Mensch ist ja Teil der Natur, wir stehen nicht daneben, sondern sind mittendrin.“
Es sei nicht böser Wille der Stadt, dass der Versiegelungsgrad in Wohnsiedelungen kontrolliert werde, sondern in Niedersachsen gesetzliche Vorgabe. „Es ist einfach dringend notwendig, um das menschliche Lebensumfeld an den Klimawandel anzupassen“, so Kühn, der in diesem Zusammenhang noch auf die Krefeld-Studie verweist, nach der in den vergangenen Jahren 75 Prozent des Insektenbestandes zurück gegangen sei. „Singvögel finden kaum noch etwas zu fressen, das stellen wir zum Beispiel auch in der Vogel-Pflegestation des Nabu fest. Hier haben wir es mit teilweise halb verhungerten Tieren zu tun, das gab es früher nicht.“
Deshalb sei es auch so wichtig der Natur eine Chance zu geben. Und wie das gelingen kann, dazu informiert die Stadt Wolfsburg auf der Internetseite www.wolfsburg.de/gartengestaltung. Hier ist auch die Broschüre „Vorgärten in Wolfsburg“ mit vielen Empfehlungen für die Gestaltung von Gärten veröffentlicht. Außerdem wird über die Vorgaben für die nicht überbauten Flächen von Baugrundstücken informiert.