Zwei Fälle spielen in der Region: Am 9. März wurde eine 90-Jährige in Gifhorn zum Ziel der falschen Wasserwerker. Die beiden älteren Angeklagten, ein 32-jähriger Hildesheimer und ein 31-Jähriger aus dem Raum Koblenz, sollen von einem angeblichen Wasserrohrbruch auf der Braunschweiger Straße berichtet haben. Die Heizung der müsse Frau überprüft werden. Einer der beiden soll die Seniorin abgelenkt, der andere im Gästezimmer Schmuck im Wert von 5.500 Euro erbeutet haben.
An der Schulenburgallee in Wolfsburg klingelte es am 29. März an der Tür einer 73-Jährigen. Zwei Männer standen im Blaumann vor der Tür und gaben vor, die Heizkörper kontrollieren zu müssen.
Die Beute: Schmuck im Wert von 500 Euro. Die angeklagten Taten sind mutmaßlich nur die Spitze des Eisbergs. Die Polizei Wolfsburg warnte im April vor der Häufung solcher Fälle. Meist sind es laut Anklage die beiden älteren Männer gewesen, die sich über einen Vorwand Zutritt zu den Häusern verschafften. Einer habe das Opfer abgelenkt, der andere Wertsachen gesucht. Dem jüngsten Angeklagten (26) aus dem Raum Koblenz werden sechs Taten zur Last gelegt. Derzeit sitzen sie die drei in Justizvollzugsanstalten in Sehnde, Roßdorf und Braunschweig in Untersuchungshaft.Am Verhandlungstag betraten sie lächelnd den Gerichtssaal. Der Stuhl neben dem vierten Verteidiger blieb leer. Der Anwalt sagte, sein Mandant habe sich am Morgen „notfallmäßig einem Arzt vorgestellt“. In der Folge müsse das Verfahren gegen den 29-Jährigen wohl abgetrennt werden, kündigte der Vorsitzende Richter an. Angeklagt wegen neun Straftaten, soll der 29-Jährige bei Besuchen der falschen Wasserwerker über Funk eine „Zentrale“ vorgegaukelt haben. Die Beute habe er bei Pfandhäusern, Juwelieren und Goldschmieden zu Geld gemacht. Die Kommunikation über Funkgeräte sollte wohl auch dafür sorgen, keine Spuren über Smartphones zu hinterlassen – deren Aufenthaltsorte können die Ermittler im Nachhinein nachvollziehen.
14 Taten werden dem Quartett zur Last gelegt. In vier Fällen wurden die Opfer misstrauisch und wimmelten die falschen Handwerker in letzter Sekunde ab. In einem Fall in Salzgitter Anfang März war der Hildesheimer laut Anklage schon ins Haus einer 91-jährigen Frau gelangt, als ein Nachbar aufmerksam wurde und an der Tür klingelte. Der 32-Jährige habe daraufhin das Haus verlassen.
Den Großteil ihrer Beute sollen die Täter Anfang Februar im Landkreis Hildesheim gemacht haben. Wegen angeblich zu hohen Wasserdrucks in den Wasserrohren gaben sie laut Anklage vor, im Haus einer 92-Jährigen in Alfeld die Heizungen aufdrehen zu müssen. Einer der Beschuldigten soll die Seniorin abgelenkt und zwei Mittäter ins Haus gelassen haben. Aus dem Schlafzimmer der Frau wurden Bargeld, Goldbarren sowie Schmuck im Wert von mehr als 80.000 Euro entwendet.
Am 14. April gab es gleich zwei Taten im Raum Osnabrück – eine 92-jährige Bestohlene hatte Glück im Unglück: Die Polizei nahm den 31-Jährigen fest und stellte in seiner Hose einen Großteil ihres gestohlenen Schmucks sicher. Später klickten auch bei den anderen Beschuldigten die Handschellen.
Die Verteidigung wollte eine mögliche Verständigung prüfen lassen, um das Strafmaß im Fall eines Geständnisses ihrer Mandanten auszuloten. Dafür lagen die Vorstellungen von Kammer und Staatsanwaltschaft beim Strafmaß zu weit auseinander. Das Gesetz sieht für den Tatvorwurf eine Haftstrafe von einem bis zehn Jahren vor. Für den 32-Jährigen beispielsweise stellte die Kammer eine Freiheitsstrafe von viereinhalb bis fünfeinhalb Jahren in Aussicht. Die Anklagevertretung forderte dagegen sechseinhalb bis neuneinhalb Jahre Gefängnis.
Die Verteidiger wollten sich bis zum nächsten Verhandlungstermin am 23. Oktober mit ihren Mandanten beraten. Auch wenn keine förmliche Verständigung erreicht wurde, würde sich die Kammer wohl am genannten Strafrahmen im Fall eines umfassenden Geständnisses orientieren. Denn: Für die zumeist hochbetagten bestohlenen Rentnerinnen und Rentner hätte ein Geständnis den Vorteil, dass ihnen die oft weite Anreise für eine wohl schambehaftete Aussage im Zeugenstand erspart bliebe.