Abujarad studierte in Göttingen Mathematik, nach dem Master hat er promoviert. Sein Fachgebiet ist Statistik und Stochastik. In die freie Wirtschaft wollte er nie gehen. „Ich habe Lehramtsstudierende unterrichtet und Masterarbeiten betreut. Das Unterrichten macht mir Spaß“, sagt er. Der 52-Jährige arbeitete rund acht Jahre an der RWTH Aachen. Laut dem Dozenten ist es eine Elite-Universität. Die Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule ist mit mehr als 47.000 Studierenden die nach Studentenanzahl zweitgrößte Universität für technische Studiengänge.
Abujarad war sieben Monate Dozent an einer Universität in Palästina, seiner Heimat. „Die politische Lage war unangenehm. Es war nicht sicher für unsere fünf Kinder, daher bin ich mit der Familie 2017 zurückgekehrt“, erzählte Abujarad. 1997 kam er nach Deutschland, seit 2008 hat er die deutsche Staatsbürgerschaft. Er habe Angst um seine Geschwister und um seine Mutter, die den Krieg momentan erleben müssen. „Wir sind verloren. Alle“, sagte er. Abujarad möchte das Thema nicht vertiefen, schließlich soll es um das Thema Bildung in Deutschland gehen.
Abujarad hat drei Mädchen und zwei Jungen. Die Älteste macht Abitur, der Jüngste ist in der vierten Klasse. Der Vater berichtet, dass das Niveau der Kinder durch Corona und dem damit einhergehenden Online-Unterricht abgesackt sei. Zudem seien bei seinen Kindern auch immer wieder Stunden ausgefallen, weil die Lehrer fehlten. „Ich bin noch jung und daher habe ich mich für den Wechsel entschieden. Schule ist ein sehr guter Ort, um das Potenzial der Kinder zu fördern. Und das möchte ich tun“, erklärt der 52-Jährige.Er habe das Schulamt Niedersachsen angerufen und Zeugnisse und Formulare eingereicht. Das erste Angebot war vom Albert-Schweitzer-Gymnasium in Wolfsburg, und das hat er angenommen. Abujarad wohnt in Braunschweig und hat die Stelle an der Universität für ein Jahr reduziert, demnach ist er auch noch Dozent. Zudem ist er seit Februar 2023 in der Qualifizierungsmaßnahme.
Am Gymnasium gebe es zwei weitere Quereinsteiger, die Anfang des Jahres begonnen haben. „Alle sind sehr gut in den Beruf gestartet“, betont Schulleiter Dr. Thomas Lohmann. Im Schuljahr 2021/22 waren 8,6 Prozent der Lehrerinnen und Lehrer an den allgemeinbildenden Schulen sogenannte Quer- sowie Seiteneinsteiger, wie das Statistische Bundesamt mitteilte. Im Vergleich zum vorigen Schuljahr habe es einen Anstieg bei den Seiten- und Quereinsteigern gegeben. Das sei eine Folge des Lehrkräftemangels, wie das Statistische Bundesamt erklärt. „Das Albert-Schweitzer-Gymnasium braucht Lehrer für die MINT-Fächer und Musik“, so Lohmann. Seiteneinsteiger haben kein abgeschlossenes Lehramtsstudium und sie werden ohne ein Referendariat in den Schuldienst übernommen. Bei Quereinsteigern besteht im Gegensatz dazu die Pflicht eines Referendariats.Abujarad konnte mit einem anerkannten Fach den direkten Quereinstieg wählen. Er nimmt am Pädagogik- und Fachseminar teil. Dabei lernt der Lehrer beispielsweise, wie mit Eltern umgegangen wird und was bei einem Streit in der Klasse passieren muss. Der Mathematiker unterrichtet vier Klassen aus dem achten, zehnten, elften und zwölften Jahrgang. „Ich unterrichte seit 2003, daher habe ich Erfahrung, Menschen etwas beizubringen. Jedoch habe ich Studierenden das Thema maximal zweimal erklärt. Anschließend mussten sie sich selber kümmern. Als Lehrer wiederhole ich ein Thema so lange, bis es jeder Schüler verstanden hat. Aus Gesprächen mit den Kollegen weiß ich, dass sie es genauso machen“, sagt Abujarad.
Die Förderung der Kinder und Jugendliche mache ihm Spaß – und dennoch weiß er noch nicht, ob er wirklich Lehrer werden möchte. Die Qualifizierungsmaßnahme sei im Februar 2025 abgeschlossen. „Ich möchte lehren, aber noch habe ich mich nicht entschieden“, so Abujarad.