ADFC-Vorstand Dagmar Schaumburg spricht von einem „Schock“ über den Moment, als sie im November die ersten Borde für den Radweg zwischen Hermann-Münch-Straße und Grauhorststraße gesehen habe. „Der Radweg hat gerade einmal zwei Meter.“ Aus Schriftverkehr mit der Stadt geht hervor, dass der Radweg auf einem 20 Meter langen Abschnitt sogar nur rund 1,80 Meter breit ist.
Dabei sei die Strecke im 2019 vom Rat beschlossenen „Leitbild Radverkehr“ als Hauptroutennetz oder Radschnellweg vorgesehen. „Somit hätte er zwingend nach den dort festgelegten Qualitätsstandards mit den entsprechenden Breiten hergestellt werden müssen“, argumentieren die Verbände. Der Radweg müsse mindestens 2,50 Meter breit sein.
Laut der Stadt entspricht die Radwegbreite dem Qualitätsstandard für das Radhauptroutennetz. Für einen Radweg in eine Richtung sei eine Breite von zwei Metern sowie ein zusätzlicher Trennstreifen vorgesehen. „Dieser Standard wird entlang der Heinrich-Nordhoff-Straße weitestgehend erfüllt und abschnittsweise sogar von 1,80 auf 2,00 Meter verbreitert“, hieß es aus dem Rathaus.
Dem Beschluss von 2019 zufolge sollen Radhauptrouten den Velopiloten hohes Tempo und sicheres Überholen ermöglichen. Das sei jedoch auf dem Radweg an der Heinrich-Nordhoff-Straße kaum der Fall, sagt Schaumburg. Außerdem würden viele Fahrradfahrer auf der falschen Seite fahren, um nicht die Straße kreuzen zu müssen. „Normale Radlenker sind 70 bis 80 Zentimeter breit. Und mit meinem Pedelec fahre ich 25 km/h. Wenn mir jemand entgegenkommt, wird’s gefährlich.“ Es sei an der Stelle sogar ein Radweg mit zwei Fahrtrichtungen angedacht. Peter Bronold vom BUND ergänzt, das Thema sei Mitte November im Arbeitskreis Radverkehr angesprochen worden. Doch die Hinweise seien von der Stadtverwaltung ignoriert worden. Der Radverkehrskoordinator verwies damals auf die VW Kraftwerk GmbH, wie aus Mails hervorgeht: „Da es sich um die Maßnahme eines Leitungsträgers handelt, ist der Einfluss der Stadt auf die Wiederherstellung begrenzt, daher erfolgt diese in der Regel bestandsorientiert.“
Das gilt auch für den Abschnitt zwischen Grauhorststraße und Automeile. Dabei wolle die Stadt doch den Radverkehr fördern, sagt Schaumburg. „Es wäre klasse, wenn man solche Gelegenheiten nicht verstreichen lässt.“ Der überbreite Fußweg solle zugunsten des Radweges verschmälert werden. Die Forderung der Verbände: Den Ausbau stoppen und den Seitenraum gemäß der Anforderungen neu verteilen. Weder Fußgänger noch Autofahrer müssten deswegen Einbußen in Kauf nehmen. „Relativ wenige gehen zu Fuß zum Kleingartenverein. Die meisten kommen mit dem Auto oder mit dem Fahrrad“, sagt Schaumburg. Ihrer Rechnung zufolge wäre die Baumaßnahme sogar günstiger, wenn statt eines gepflasterten Trennstreifens zwischen Fuß- und Radweg mehr asphaltierter Radweg gebaut würde. „Die Stadt hätte ein bisschen Geld oben drauf gelegt und hätte für schlankes Geld einen Qualitätsradweg bekommen“, meint sie.
Die Stadtverwaltung teilt mit, dass eine Verbreiterung des Radwegs auf 2,50 Meter durch die VW Kraftwerk von der Stadtverwaltung bei den Vorbereitungen für die Sanierung „geprüft und grundsätzlich befürwortet“ wurde. Bei der vertiefenden Prüfung sei allerdings aufgefallen, dass auf einigen Abschnitten für den Gehweg kaum Platz übrig geblieben wäre – beispielsweise am Überweg an der Wegeeinmündung des Kleingartenvereins.
„Hierdurch hätte eine gänzliche Überplanung der Nebenanlage mit entsprechender Baurechtsschaffung und Grunderwerb von anliegenden Grundstücken erfolgen müssen. Dieses hätte Zeit in Anspruch genommen, die im Vorfeld der Baumaßnahme nicht ausreichend vorhanden und auch nicht prioritär war“, hieß es aus dem Rathaus. Die Bauarbeiten mitsamt den Einschränkungen hätten ohne erkennbaren Fortschritt noch länger gedauert. Zudem hätte die Stadt die Planung und teils die Ausführung zahlen müssen. Die Wiederherstellung des vorigen Wegs bezahlt hingegen die VW Kraftwerk. „Für die Stadt Wolfsburg entsteht damit in Zeiten knapper Kassen eine neue bestandsorientierte Nebenanlage, die durch einen taktilen Trennstreifen zur besseren Trennung von Fußgängern und Radfahrern ergänzt wird.“
Der behindertengerechte Ausbau der Haltestellen sei vorab geprüft worden. Für eine Förderung durch das Land Niedersachsen hätten die Haltestellen aber zuvor in das Mehrjahresprogramm aufgenommen werden müssen. „Hier hat die Stadt Wolfsburg bisher andere Haltestellen hinterlegt, so dass die Stadt die Kosten für den Ausbau gänzlich hätte alleine tragen müssen“, so ein Sprecher. „Der Ausbau der Haltestellen wird entsprechend der Gesamtplanung für die Heinrich-Nordhoff-Straße und mit der Förderung des Landes und Regionalverbundes vorgesehen.“
Ziele und Qualitätsstandards des angesprochenen Radweges würden eingehalten. Bei Sanierungen durch die Stadt selbst oder dem Bau neuer Nebenanlagen würden Träger öffentlicher Belange rechtzeitig eingebunden. „Für Maßnahmen im Bestand und durch andere Vorhabenträger ist die Anpassung aus den oben genannten Gründen nicht so einfach und nur bei entsprechender Möglichkeit vorzunehmen“, teilte die Stadt mit.