Unbeweglich, von oben beleuchtet, liegen sechs Körper mit dem Rücken auf der Bühne. Einsetzende Chorstimmen im Lautsprecher wachsen zu einem choralähnlichen Gesang zusammen. Die Körper beginnen in variablen Rhythmen Schlaggeräusche auf dem Boden zu erzeugen. Zunächst mit den Beinen, dann mit anderen Körperteilen und schließlich in synchronen Aufstehversuchen. Es entsteht eine Atmosphäre der Zeitlosigkeit, in der Momente greifbar nahe scheinen und zugleich vergänglich sind.
Die äußerst präzisen und virtuosen Bewegungsabläufe der zwei Tänzerinnen (Sayaka Kado, Rita Winder) und vier Tänzer (Peng Chen, Masayoshi Katori, Daniel Myers, Anthony Pucci) symbolisieren die Erdverbundenheit, der eine sakrale Weihe und Erhabenheit entgegenwirkt. Von diesem Kontrast geht eine dramatische Kraft aus, der sich niemand im Zuschauerraum entziehen kann.
Zur Chormusik von zeitgenössischen Komponisten (Jóhannsson, Lang, Skempton, Whitacre, Pärt) werden Lebensstationen der Tanzenden sichtbar. In ausdrucksstarken Solotänzen und wechselnden Formationen nehmen Abschied, Schmerz, Trost und Hoffnung Gestalt an. Aber auch innige Momente, gegenseitig aufgefangen und getragen werden, nehmen Gestalt an.
Fleischfarbene, transparente Kostüme symbolisieren in gleicher Weise Geburt und Tod, das „Kyrie eleison“ von Ola Gjeilo aus der „Sunrise Mass“ am Ende dieses Teils zeichnet das Leben zwischen Himmel und Erde. Den berühmten „Bolero“ von Maurice Ravel nach der Pause, tanzt Tatsuki Takada in der Choreografie von Eyal Dadon zunächst allein in gedämpftem Bühnenlicht, zwischen zwei Scheinwerferwänden und Nebeleffekten.
Die als großes Crescendo des Orchesters komponierte Musik beginnt wie gewohnt. Plötzlich werden Veränderungen hörbar, von denen Tatsuki Takada in seiner Leichtfüßigkeit und tänzerischem Ausdruck scheinbar unbeeindruckt bleibt. Musikalische Phrasen klingen zeitweise fremdartig, weil einzelne Töne fehlen und melodische Abläufe unterbrochen werden, während der rhythmische Ablauf unberührt bleibt.
Öffnende Gesten und Pausen, die Takada einlegt, bringen 16 weitere Tänzerinnen und Tänzer auf die Bühne. Nach einer einleitenden „Dekomposition“ des Stücks von Ravel erklingt nun das Original. Es sind hier eher soziale Fragen des Miteinander vernehmbar. Damit gehen auf höchstem tänzerischen Niveau die beiden Choreografien über den reinen Tanz hinaus.