Letztere kommen, weil das kleine Nest unter anderem seit dem dystopischen Endzeitfilm „Mad Max II“ mit Mel Gibson weltbekannt ist. Der Streifen wurde in der Umgebung, wie dem nahegelegenen Aussichtspunkt „Mundi Mundi“, gedreht. Und die Film-Crew wohnte damals im Silverton-Hotel. Unzählige alte Fotos und Erinnerungsstücke zeugen davon, ebenso das Mad-Max-2-Museum. Wer mit der Hitze keine Probleme hat, schlendert durch die wenigen Straßen. Sehenswürdigkeiten gibt es hier nicht. Als Autofan hofft man, bestenfalls einen alten Holden oder Ford Falcon zu sehen, der hier in der Stille der Wüste überlebt hat. Aber einen VW Käfer erwartet man nicht.
Schon gar nicht mehrere davon. Aber genau diese sind in der weiten Leere von Down Under zu finden – auch in Silverton. Der erste steht optisch angelehnt am Mad-Max-Car in mattschwarz direkt vor dem Hotel. Ein gelber Big Bug 1302 mit größeren Rücklichtern parkt an der Fassade der Saint Carthage Catholic Church. Einige staubige Meter davon entfernt gibt es Grund zum Staunen: Dort ist ein alter Geländewagen des Künstlers Justin Cowz mit Kronkorken übersät. Die Galerie eines weiteren Künstlers, John Dynon, befindet sich in einem höchst ungewöhnlichen Wellblechschuppen.
Davor ein 3er BMW und ein komplett buntbespritzter Käfer ohne Kotflügel, aber dafür mit alten Farbdosen verschönert, die auf dem Dach kleben. Einen Steinwurf weiter hat der Bush-Artist Peter Browne seinen Blick auf den „Geist Australiens“ in einer skurrilen Art und Weise auf zwei VW-Käfer gebannt: Gesichter von Emus mit großen Augen und langen Hälsen zieren cartoonartig das runde Blech. Die VW-Luftkühler sind, wie der Laufvogel selbst, echte Aussies.
Bereits 1953 treffen die ersten rund 31 Käfer als CKD-Pakete bei Lannock Motors in Sydney ein. Ein Jahr später beginnt bei Martin & King in Clayton, einem Vorort von Melbourne, die Montage der CKD-Bausätze. VW-Chef Heinrich Nordhoff besucht alsbald Australien und inspiziert zusammen mit Baron Klaus-Detlef von Oertzen (VW Südafrika) die geschäftige Montagewerkstatt. Daraufhin wird beschlossen, eine vollständige Produktion in Australien einzurichten.
Am 6. Dezember 1957 wird dazu ein neues Unternehmen, die Volkswagen Australasia Pty Ltd, gegründet. Sie ist zu 51 Prozent im Besitz der Volkswagenwerk GmbH. Der andere Teil gehört Regent Motors, LNC Industries und Clyde Industries. Die VWs sollen nun mit lokal bezogenen Komponenten produziert werden. Dazu wird das Werk von Martin & King in der Centre Road in Clayton gekauft. Australien ist eines der am stärksten motorisierten Länder der Welt und ist damit ein lukrativer Markt für Volkswagen.
Neben Chrysler, General-Motors und Ford sind auch die englischen Hersteller in Australien stark engagiert. Selbst Lloyd produziert ab 1957 in Zusammenarbeit mit einem lokalen Fabrikanten. Der Käfer setzt sich durch, hat stetig Erfolg und wird im März 1958 sogar auf einer Parade in Melbourne als Sieger des australischen „Mobilgas Economy Run“ gefeiert. Ebenfalls 1958 beginnt die große Erweiterung des nun zu VW gehörenden Werks in Clayton. Um die Produktionskapazität für den Käfer und Bus mit importierten und lokal hergestellten Komponenten ab 1959 zu erhöhen, wird auch ein modernes Presswerk eingerichtet.Die Werkzeuge und Matrizen werden allerdings von Chrysler in Adelaide hergestellt. Der Import von CKD-Kits endet und nur die benötigten nicht-australischen Teile werden separat importiert. Die Serienfertigung beginnt mit bis zu 90 Fahrzeugen pro Tag. Der 100.000. in Australien gebaute Volkswagen (ein Käfer) läuft in einer Feierstunde im März 1961 vom Band. Doch die Zeiten ändern sich für VW und der Anteil am australischen Automarkt ist ab 1964 rückläufig. Zwei Jahre später gibt es einen Verlust von über 3 Millionen US-Dollar, den ersten überhaupt. So werden weitreichende Schritte unternommen, um die Fertigungstiefe in Australien zu reduzieren.
Der 250.000. australische Volkswagen wird im März 1967 verkauft, aber es gibt keine offizielle Zeremonie und das Jubiläum bleibt weitgehend unbemerkt. Der australische Markt ist für die zahlreichen Anbieter zu klein, zudem drängen die Japaner mit ihren Modellen auf den fünften Kontinent. Da die Verkäufe weiter sinken, verzeichnet VW einen weiteren Jahresverlust von 2,6 Millionen US-Dollar. Schließlich wird die Produktion 1968 eingestellt.
Die Pressen gehen zu Volkswagen do Brasil und in Clayton kehrt man zu einer CKD-Montage zurück. Verschiedene Modelle werden komplettiert, und 1975 sogar mehr Datsun-Modelle als Volkswagen. So wird die Entscheidung getroffen, das Werk in Clayton an Nissan zu verkaufen und die lokale Montage von VW-Fahrzeugen einzustellen. Die Einfuhr von Käfern ist aufgrund ungünstiger Wechselkurse, strengerer Sicherheitsvorschriften und Emissionsnormen nicht wirtschaftlich, sodass das Modell schon im Januar 1976 aus dem Verkauf genommen wird. Der letzte australische Käfer, gebaut im Juli 1976, wird jedoch erst im März 1977 verkauft. Bis dahin wurden rund 265.000 davon abgesetzt. Der Käfer, immer schon ein Gradmesser für den Erfolg von Volkswagen, ist hier im Outback nur noch ein skulpturaler Bestandteil der wechselhaften und oft kurzweiligen Automobilgeschichte Australiens.