„Auch bei jüngeren Jahrgängen ist Rechtsextremismus schon ein Thema“, sagt Louisa Basner, kommissarische Vorsitzende des Landesschülerrates Niedersachsen. In der Grundschule bestehe das Problem meistens jedoch noch nicht. Da hätten die meisten Mädchen und Jungen noch kein Handy. Sobald dies jedoch der Fall sei, bestärke es häufig die Probleme. Dann bestehe auch mehr die Gelegenheit, in der Pause mit älteren Schülern in Kontakt zu kommen. Basner sieht das Thema an allen Schulformen als präsent an, sagt aber, dass Gymnasien teilweise weniger betroffen wären. Regionale Unterschiede in Niedersachsen sieht sie nicht.
In Wolfsburg gibt es mehrere Schulen, die den Titel „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ tragen. Dazu gehören die Berufsbildende Schule Anne-Marie Tausch, die Carl-Hahn-Schule, die Oberschule Eichendorffschule, das Gymnasium Eichendorffschule, die Leonardo-da-Vinci-Grund- und Gesamtschule, die Peter-Pan-Schule, das Phoenix-Gymnasium, das Ratsgymnasium und das Theodor-Heuss-Gymnasium.
„Demokratiebildung ist elementarer Bestandteil schulischer Arbeit“, sagt Jennifer Yavuz, Leiterin des Ratsgymnasiums. Gerade in der aktuellen Zeit, in der Kinder und Jugendliche beispielsweise über die sozialen Medien in ungeheurer Geschwindigkeit verschiedensten Einflüssen ausgesetzt sind, sei es die gemeinsame Aufgabe der Eltern und der Lehrer, eine klare Haltung gegen Rechtsextremismus und für ein friedliches Zusammenleben vorzuleben und zu vermitteln. Grundlegende demokratische Werte wie die Würde des Menschen, Freiheit und Gleichheit, Gerechtigkeit und Solidarität, Pluralismus und Gleichberechtigung seien verbindlich für die Demokratiebildung an Schulen, werden täglich vorgelebt und thematisiert. „Ziel unserer schulischen Bildung ist – neben fachlichen Kompetenzen – die politische Teilhabe zu ermöglichen und Partizipation zu stärken“, sagt Yavuz. Engagement in der Schülervertretung, in Arbeitsgemeinschaften oder Projekten, aber auch in Konferenzen und Gremien dienen der Mitwirkung und der Heranführung an die Übernahme von Verantwortung für sich selbst und die Gesellschaft.
Die Schülervertretung des Ratsgymnasiums organisiert im Rahmen der „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“-Aktivitäten jährlich Veranstaltungen, die den Grundsatz, dass niemand aufgrund seiner Herkunft, Religion, Hautfarbe oder sonstiger Eigenschaften diskriminiert werden darf, altersgerecht, beispielsweise in Form von Theaterstücken, thematisieren. Das Ratsgymnasium ist auch „Wolfsburger Schule für Vielfalt“, „Europaschule“ und „Botschafterschule des Europäischen Parlaments“. Das bedeutet, dass dort viel Wert darauf gelegt wird, Haltung gegen Diskriminierung und für Vielfalt zu zeigen. Anlassbezogen finden Gespräche mit Lerngruppen oder einzelnen Kindern und Jugendlichen statt, wenn sie Fragen zu Inhalten haben, die ihnen auch außerhalb von Schule begegnet sind. Eine kritische Auseinandersetzung mit Parolen und das Einstehen für demokratische Werte werden aktiv gefördert.
Andreas Kroll, Leiter der Eichendorffschule, berichtet ebenfalls von vielen Projekten, die sich mit der Thematik beschäftigen. So hätten Achtklässlern kürzlich Artikel verfasst, die sich mit dem rechten Thema „Remigration“ auseinandersetzen. Mehrere Jahrgänge werden einen Anne-Frank-Tag haben. Zudem gab es Schüler, die an Aktionen anlässlich des Holocaust-Gedenktages teilgenommen haben.
„Schule ist immer ein Spiegelbild der Gesellschaft“, sagt Ulf Blanke, Direktor der Leonardo-da-Vinci-Gesamtschule.Hin und wieder gäbe es an der Schule mal Schmierereien. Seiner Kenntnis nach existiere jedoch kein offen zur Schau gestellter Rechtsextremismus. „Wir sind ja auch eine ganz besondere Schule, in deren DNA Vielfalt und Zusammenleben verschiedener Kulturen schon angelegt ist.“ Jahrgangs- und klassenübergreifend würden immer wieder verschiedene Themen aufgegriffen.
Laut Polizeisprecherin Melanie aus dem Bruch haben vier Jugendliche im September vergangenen Jahre an der Grundschule Alt-Wolfsburg und der Realschule Vorsfelde mehrere rechte Graffitis, unter anderem Hakenkreuze und entsprechende Schriftzüge, gesprüht. Die Schmierereien hätten vier Schülern nachgewiesen werden können. Derzeit befinde sich dieser Vorgang bei der Staatsanwaltschaft.
Die Stadt teilt mit, dass Vorfälle im Bereich Vandalismus neben der Meldung an die Polizei auch immer dem Schulträger durch die betroffenen Schulen angezeigt werden. Der Schulträger führe jedoch keine Statistik darüber, welche politische oder extremistische Ausprägung hinter Vandalismus stehe. Die Zusammenarbeit von Präventionsakteuren bei besonderen Auffälligkeiten habe in Wolfsburg einen hohen Stellenwert. Im Rahmen der Kooperation zwischen Schulen und Schulträger werden verschiedene Angebote zur Gewaltprävention bereitgestellt, unter anderem die Dialogstelle Extremismusprävention Wolfsburg.
Streetlife könne weder die Zunahme einer Kultivierung rechter Ideologien als Gruppen-Phänomen an Schulen feststellen, noch eine steigende Tendenz einzelner Schüler beobachten, die auf dem Weg sind, sich zu radikalisieren oder sich bereits radikalisiert haben. Im Rahmen einer aktuell laufenden Schulbefragung in Kooperation mit dem Landespräventionsrat Niedersachsen werden unter anderem auch die Themen Radikalisierung und Rassismus mit in den Fokus genommen.