Wahrscheinlichkeitsberechnungen stufen Himmelsobjekte auf einer sogenannten Palermo-Skala nach ihrem Gefährdungspotenzial ein – ähnlich einer Erdbebenskala. „Seit wir diese Aufzeichnungen im Planetarium Wolfsburg machen, wurde noch nie ein Objekt als gefährlich eingestuft“, sagt die Planetologin Dr. Julia Lanz-Kröchert. Dass Meteoriten auf die Erde treffen, passiere allerdings immer mal wieder.
Aber am 21. Januar zeichnete die Feuerkugelkamera „AllSky7“ auf dem Dach des Planetariums den Niedergang einer Leuchterscheinung auf, die heller als der Vollmond aufleuchtete und selbst mit dem bloßen Auge klar erkennbar war. Berechnungen zufolge hatte die Feuerkugel einen Durchmesser von einem halben Meter und wurde zunächst 2024 BX1 genannt. Die Daten der Kamera aus Wolfsburg flossen in die Analyse zur Eingrenzung des Fallgebietes ein, sodass nur zwölf Stunden nach dem Meteoritenfall eine riesige Suchaktion etwa 50 Kilometer westlich von Berlin stattfinden konnte.
Der Arbeitskreis Meteore, das Berliner Museum für Naturkunde und das Deutsche Zentrum für Luft und Raumfahrt suchten zusammen mit Studenten der Freien Universität Berlin systematisch nach den Resten von 2024 BX1. Vier Tage nach dem Erdeinschlag wurden die Sucher in Ribbeck im Havelland fündig. Bis zum ersten Gesteinsfund aus dem All – am frühen Nachmittag des 25. Januar – war Ribbeck vor allem bekannt wegen der Birne, die Theodor Fontane durch sein bekanntes Gedicht ins brandenburgische Havelland brachte. Im ganzen Ort ist die Birne zu finden und über die virtuellen Suchmaschinen stößt man sofort auf „Herr von Ribbeck auf Ribbeck“.
Seit dem Aufprall des BX1 hat sich dies jedoch ein wenig verändert, denn der besondere und extrem seltene Meteorit trägt den Namen seines Fundortes „Ribbeck“. Zur Überraschung des Sucherteams handelt es sich um einen sogenannten „Aubrit“, der eine helle und fleckige Schmelzkruste aufweist. Für Laien ist er nicht von einem Betonbröckchen zu unterscheiden. Der Geruch von Schwefelwasserstoff war für die Sucher auf dem Hunderte Quadratmeter großen Streufeld ein Indiz zur Unterscheidung.
„Beim Eintreffen in die Erdatmosphäre hört der Meteorit in 20 Kilometer Höhe auf zu leuchten und geht über in den Blindflug. Der Gestank nach Schwefel ist eine chemische Reaktion auf die für den Meteoriten unbekannte Atmosphäre der Erde“, erklärt Andreas Möller vom Arbeitskreis Meteore. Für Experten ist das Fundstück ein wahrer Glücksfall. Der „Aubrit Ribbeck“ komme der Oberfläche des Merkur am nächsten und sei der Erste dieser Art, dessen Fall so präzise dokumentiert wurde.
Die Merkur-Analogie fasziniert Astronomen besonders vor dem Hintergrund der Sonde Bepi-Colombo, die im Dezember 2025 in die Umlaufbahn des Merkur eintreten wird. „Dass dieses Gestein jetzt auf die Erde kam und gefunden wurde, kurz bevor die Sonde den Merkur erreicht, ist ein glücklicher Zufall“, sagt Dr. Julia Lanz-Kröchert. Einen Teil von „Ribbeck aus dem Weltall“ können Interessierte aktuell im Planetarium Wolfsburg in der Ausstellung bestaunen. Andreas Möller stellt das drittgrößte Meteoritenfragment dem Planetarium zunächst für ein Jahr als Leihgabe zur Verfügung.
Der Hobbyastronom Möller fand das Gestein am 27. Januar nach gezielter Suche auf einem Rapsfeld zwischen Ribbeck und Berge. Andere Teile des ursprünglich 50 Zentimeter großen Feuerballs werden für Untersuchungen beispielsweise zur Massedichtebestimmung genutzt. Die ersten Planetarium-Besucher, die den kleinen „Ribbeck“ in Wolfsburg bestaunten, waren Sabine Teich aus Bückeburg und Michael Gisder aus Hildesheim. Sie waren in Wolfsburg verabredet, um sich die Astronomie-Show über die Marslandung anzuschauen. Aber vor allem das Bröckchen aus dem Weltall faszinierte sie.