Es gelte die Devise: „Selbstständigkeit vor ambulant vor stationär.“ Nicht in allen Bereichen, in denen ältere Menschen vor Problemen stehen, müssten Profis ran. Etwa die Wasserkiste in die Wohnung tragen oder beim Saubermachen helfen, das könnten auch hilfsbereite Laien. „Um das zu erreichen, sind starke Netzwerke ergänzend zu den Familien vor Ort wichtig. Angebote wie der Seniorenring mit seinen Seniorengruppen oder die Stiftung Herz und Ohr von der Neulandstiftung stärken diese Strukturen“, schildert Meyer.
Von der Stadt gefördert würden Seniorenbegegnungsstätten, in denen Begegnungen und eine gemeinsame Freizeitgestaltung möglich sind, aber auch Beratungen und inhaltliche Programme angeboten werden. So könne nicht nur informiert, sondern auch der Vereinsamung entgegengewirkt werden, die im Alter für viele Menschen ein bedeutendes Problem ist. Ganz wichtig: „Informelle Netzwerke sind eine Vorstufe der Pflege und können diese oft deutlich hinauszögern – wer aber pflegebedürftig ist, soll auch Hilfe bekommen“, betont der Geschäftsbereichsleiter.
Trotz aller Unterstützung durch Netzwerke kommt aber für viele Menschen doch irgendwann der Zeitpunkt, an dem es ohne professionelle Pflege nicht mehr geht. Der Fachkräftemangel sei auch in Wolfsburg deutlich bemerkbar und es sei eine große Herausforderung für die Anbieter, ausreichend Pflegekräfte für die Versorgung der Menschen zu finden.
Ein schwieriges Thema sei zudem die Abdeckung von Zeiten, an denen die Pflegeperson verhindert ist, etwa durch Krankheit oder Urlaub. „Reine Kurzzeitpflegestationen rechnen sich aus der Perspektive der Anbieter wirtschaftlich häufig nicht. Deshalb werden solche Pflegeplätze in die stationären Angebote ,eingestreut’“, erklärt Meyer. Insbesondere in den Werksferien von VW, wenn die Nachfrage besonders hoch ist, stehen die Familien dann vor einem großen Problem.
Eine weitere Schwierigkeit für Betroffene ist die Finanzierung der Pflege. Heimkosten sind oft nicht mit dem zur Verfügung stehenden Geld zu bezahlen. Der Staat springt erst ein, wenn so gut wie kein Vermögen mehr zur Verfügung steht. „Die Menschen müssen also ihr eigenes Vermögen weitestgehend aufbrauchen, bevor die Kosten für die Pflege übernommen werden können – für viele Menschen ist das eine enorme psychische Belastung“, weiß Meyer.
Der Beratungsbedarf sei groß und in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen: Allein im Senioren- und Pflegestützpunkt in Wolfsburg wurden 2020 2.000 Beratungen durchgeführt, 2023 waren es 2.500. Dazu kämen noch Angebote der Wohlfahrtsverbände. Wie gut man den Ratsuchenden helfen könne, sei sehr unterschiedlich. „Für viele Menschen ist der Umgang mit der eigenen Pflegebedürftigkeit nicht einfach. Wir versuchen, den Menschen zu unterstützen, sich in der neuen Situation zu orientieren“, führt Meyer aus.