Debatte über schärferes Waffengesetz:Was ist erlaubt und was verboten?
Warum ein Waffenhändler von Schreckschusswaffen abrät und welche Regeln es derzeit gibt

Pistole mit Patronen und Waffenbesitzkarte: Das deutsche Waffengesetz ist streng, aber auch unübersichtlich. Foto: Patrick Pleul
Wolfsburg/Peine/Gifhorn. Nach dem Messerangriff von Solingen will Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) das Waffengesetz verschärfen. In der Öffentlichkeit sollen Messer demnach nur noch bis zu einer Klingenlänge von sechs Zentimetern mitgeführt werden dürfen. Was bringen neue Regeln? Was ist nach dem derzeitigen Waffengesetz erlaubt? Fragen und Antworten mit Stimmen aus Gifhorn, Peine und Wolfsburg.„In den letzten Jahren ist die Nachfrage stetig angestiegen. Das ist eine Richtung, die wir alle nicht wollen. Schließlich habe ich selbst zwei Kinder“, sagt der Gifhorner Waffenhändler Thorsten Klatt. Als Grund vermutet er zunehmende Unsicherheit. „Ich kriege immer wieder Anrufe, jemand bräuchte zum Schutz eine Schreckschusswaffe.“ Oft rate er davon ab. „Damit bewegt man sich auf der Eskalationsstufe ganz weit nach oben“, warnt der Händler. „Die beste Verteidigung sind meine Füße.“ Es gebe auch Hundehalter, die aus Angst vor dem Wolf eine Schreckschusswaffe erwerben wollten, um das Raubtier in die Flucht zu schlagen. „Denen lege ich nahe, lieber eine Trillerpfeife oder einen Taschenalarm zu kaufen.“Und eine Waffengesetzverschärfung? „Völlig unsinnig“, sagt Klatt. „Was kümmert sich jemand um Gesetze, wenn er anderen Böses antun möchte?“ Wohl aber spricht er sich für eine Reform aus. Das Waffenrecht sei zu bürokratisch, die Behörden mit der Kontrolle überfordert. Die Komplexität des Waffengesetzes bringt er so auf den Punkt: „Jeder zweite Angler hat ein Messer dabei, das eigentlich illegal ist. Wenn er auf dem Weg zum Angeln noch für drei Brötchen beim Bäcker vorbeifährt, wird es schon problematisch.“ Selbst über die Vorschriften für den Transport stritten sich immer wieder die Fachanwälte. „Im Endeffekt ist das eine Grauzone“, sagt Klatt.

Auch Jäger müssen beim Umgang mit Waffen vieles beachten. „Das ist Bestandteil der Ausbildung zur Jägerprüfung“, sagt Peines Kreisjägermeister Hans Werner Hauer. Zur Diskussion über eine Verschärfung des Waffenrechts sagt er: „Für mich ist das überhaupt nicht nachvollziehbar. Es soll die Öffentlichkeit beruhigen, bringt aber nichts. Gefährder kümmern sich nicht um das Waffengesetz.“

Pfefferspray gegen Tiere beispielsweise darf erlaubnisfrei erworben und geführt werden. Ebenso Taschenmesser ohne Arretierung einer Klinge, Modelle mit Arretierung sind erlaubt, wenn die Klinge unter zwölf Zentimeter lang ist. Baseballschläger gelten als Sportgeräte, Küchenmesser sind ebenfalls keine Waffen im Sinne des Waffengesetzes. Auch taktische Handschuhe mit Füllungen wie Sand sind erlaubt.Reizstoffsprühgeräte sind erlaubnisfrei ab 14 Jahren, gleiches gilt für das Führen außer bei öffentlichen Veranstaltungen. Wer über 18 Jahre alt ist, darf Elektroschocker erwerben und besitzen und mit sich führen, außer bei öffentlichen Veranstaltungen. Es muss jeweils das Prüfzeichen PTB vorhanden sein.Bei Messern ist die Länge der Klingen entscheidend und die Frage, ob sie einhändig bedient werden können. Messer mit feststehender und weniger als zwölf Zentimeter langer Klinge sind erlaubt. Bei Messern mit längeren Klingen oder Einhandmessern gilt: Erwerb und Besitz sind erlaubt, das Führen ist verboten.Bei Schusswaffen wird unterschieden zwischen erlaubnisfreien und erlaubnispflichtigen Waffen. Bei erlaubnisfreien Waffen wie Schreckschusswaffen ist der Erwerb und der Besitz für Volljährige erlaubnisfrei. Mit einem „kleinen Waffenschein“ dürfen diese in der Öffentlichkeit geführt werden.Schusswaffen mit scharfer Munition sind nur für bestimmte Personen erlaubt, die unter anderem Zuverlässigkeit, Eignung und Sachkunde nachgewiesen haben sowie ein „berechtigtes Bedürfnis“ haben, etwa bei Sportschützen, Jägern oder Polizisten. Zum Führen ist ein Waffenschein erforderlich. Dieser wird nur unter strengen Voraussetzungen vergeben.Keine Regel ohne Ausnahme: Das Waffengesetz sieht Ausnahmen des Verbots für das Führen bestimmter Waffen vor, etwa für Schützen zur„Brauchtumspflege“. Auch Angler dürfen aus „berechtigtem Interesse“ Messer mit längerer Klinge als zwölf Zentimetern zum Angeln mitnehmen, um Fische waidgerecht ausnehmen zu können. Viele Angelvereine empfehlen ihren Mitgliedern auf dem Weg zum Angeln den Transport von solchen Messern in einem „verschlossenen Behältnis“, um nicht mit dem Gesetz in Konflikt zu geraten.Das Waffengesetz listet unter anderem Kriegswaffen, Wurfsterne und Totschläger auf. Schlagringe sind verboten, ebenso Schlagstöcke, die flexibel, biegsam und aus Metall sind. Bei starren Schlagstöcken ist Erwerb und Besitz erlaubt, das Führen verboten, sofern kein berechtigtes Interesse vorliegt. Springmesser sind ebenfalls verboten. Auch hier gibt es wiederum Ausnahmen, was bestimmte Modelle, Klingenlänge und Einsatzzweck anbelangt.Bei Volksfesten, Sportveranstaltungen, Messen, Ausstellungen, Märkten oder ähnlichem sind Waffen nicht erlaubt. „Grundsätzlich ist das Führen von Waffen bei öffentlichen Veranstaltungen verboten“, erläutert Wolfsburgs Polizeisprecherin Melanie aus dem Bruch. In Schulen sind nach dem niedersächsischen Runderlass zum „Verbot des Mitbringens von Waffen, Munition und vergleichbaren Gegenständen sowie von Chemikalien in Schulen“ auch Taschenmesser und Laserpointer tabu. Waffenverbotszonen wie den Wolfsburger Kaufhof darf man nicht mit „gefährlichen Gegenständen“ betreten, das kann selbst ein Schraubendreher sein.Im Waffenrecht wird zwischen Erwerb, Besitz und Führen unterschieden. „Eine Waffe ‚führt‘, wer die tatsächliche Gewalt über sie außerhalb der eigenen Wohnung, des eigenen befriedeten Besitztums, der eigenen Geschäftsräume oder einer Schießstätte ausübt. Dabei ist es ganz egal, ob die Waffe geladen oder entladen, offen, verpackt, zerlegt oder funktionsfähig ist“, erklärt aus dem Bruch.Auch bei Verstößen gegen das Waffengesetz wird unterschieden zwischen Erwerb, Besitz und Führen sowie der Art der Waffe und Schwere der Tat. Beispielsweise drohen harte Strafen, wen man eine Schusswaffe ohne Erlaubnis besitzt: bis zu fünf und in extremen Fällen bis zu zehn Jahre Haft oder Geldstrafen. Wer ein Springmesser bei sich trägt, begeht eine Ordnungswidrigkeit. Diese kann mit einer Geldbuße von bis zu 10.000 Euro belangt werden.
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