Die Handlung führt in die Mitte des 19. Jahrhunderts in ein kalifornisches Camp zur Zeit des Goldrauchs. Eine Art Kantine ist für die 18 Goldgräber allabendlicher Treffpunkt. Einerseits westernübliche harte Kerle, verfallen sie bei immer weniger Goldausbeute in Melancholie und Trauer. Minnie, die einzige weibliche Person als Barfrau und Autoritätsperson unter den Männern, spendet Trost und Verständnis bei Heimweh, schreibt Briefe für Analphabeten und zügelt die Männer mit Bibelstunden und Moralpredigten.
Die auf sie projizierten Sehnsüchte und Träume, insbesondere des Sheriffs Jack Rance, wehrt sie ab. Natürlich sehnt sich die distanziert wirkende Minnie auch nach Liebe, die sie aber erst in einem Fremden, der sich Dick Johnson nennt, zu finden scheint. Doch der wird als gesuchter Räuber Ramerrez entlarvt. Minnie schafft es, ihn vor der Hinrichtung am Strang zu retten. Dabei spitzt sich die Handlung zu auf Fragen wie: Anklage oder Verzeihung? Recht oder Liebe?
Die Musik der Oper ist geprägt von starken Kontrasten. Gewohnte Einlagen mit Arien sind nicht vorhanden. Von Anfang bis Ende ist die Musik durchkomponiert. Es ist Puccinis wohl klanggewaltigste Partitur. Eine bis dahin von ihm unbekannte Musiksprache. Der hohe Anspruch an sich selbst und damit an die Ausführenden erfordert ein Höchstmaß an Kreativität und Können.
Kathrin Hieronimus (Bühnenbild), Bernhard Lenort (Dramaturgie) und Kay Link (Regie) lassen Handlung und Figuren sich in einem Spannungsbogen entwickeln, der beim Publikum keine „Entspannung“ zulässt. Die durchkomponierte Musik lässt keinen Zwischenapplaus zu.
Kostüme der Goldgräberzeit (Jule Dohrn-van Rossum), Lichteffekte (Carsten Lenauer), Video (Nikolay Schröder) und Maske (Katharina Drauschke) runden die ausdrucksstarke Inszenierung ab.
Originell und in sich stimmig sind die drei Akte der Opern in verschiedenen Zeiten verortet. In einem Museum als lebendes Diorama beginnt der erste Akt und führt ins Jahr 1850. Der zweite Akt ist um 1970 angesiedelt. Ein „Bonanza-Fahrrad“ hilft Ramerrez, sich zu verstecken. Der letzte Akt ist in der Gegenwart angekommen, wo in einem Studio ein Filmdreh vorbereitet wird.
Die orchestrale Begleitung ist durchweg massiv komponiert. Dennoch hält der musikalische Leiter Per-Otto Johansson eine stets ausgewogene Balance zwischen Instrumental- und Gesangsensemble. Das spricht erneut für die souveräne Qualität des Symphonischen Orchesters.
Alle Rollen sind ideal besetzt. Mit großem Stimmumfang und dynamischer Bandbreite erwecken Eleonora Marguerre als Minnie, Ji-Woon Kim als Dick Johnson und Jonah Spungin als Sheriff Rance ihre Figuren zum Leben. Ansteckend sind die gesangliche und darstellerische Präsenz des Opern- und Extrachores. Die teils spröde Handlung wird durch eine grandiose Lebendigkeit ersetzt. – Nach den letzten Tönen spürt man beim Publikum am Ende: Jetzt ist endlich großer Beifall möglich.